Stille Nacht, polare Nacht
Piotr Kupiszewski ist Forscher und lebt gerade in Spitzbergen. Ein Gespräch über Weihnachten in der Wildnis, Eisbären und Bulldozer Rudolph
err Kupiszewski, Sie leben und arbeiten ganz nah am Nordpol, einem der Orte, an denen der Weihnachtsmann angeblich leben soll. Haben Sie ihn denn schon gesehen?
Ne, noch nicht. Vielleicht kommt er noch in ein paar Tagen.
Sie verbringen Weihnachten an einem der abgelegensten Orte der Welt. Mögen Sie das Fest nicht?
Kupiszewski: Ich mag Weihnachten, es ist immer eine gemütliche Zeit. Aber es ist nicht das Wichtigste in meinem Leben. Weihnachten ist Familienzeit. Darum ist das auch wichtig, dass wir das hier zusammen feiern. Niemand hat eine Familie hier, das Feiern mit den internationalen Kollegen ist einfach ein Ersatz. Das macht die Laune wieder gut, dann klappt auch die Zusammenarbeit.
Wer ist denn außer Ihnen noch in NyÅlesund?
Kupiszewski: Wir sind jetzt zwischen 30 und 40 Leute. Im Sommer sind hier über 100 Personen. Es gibt zehn Länder, die hier Stationen haben: China, Indien, Korea, Japan und aus Europa Norwegen, das Vereinigte Königreich, die Niederlande, Italien und unsere deutsch-französische Station. Aber im Winter sind nicht alle Forschungsstationen besetzt, nur zwei norwegische und unsere. Und es gibt eine norwegische Firma, Kings Bay, die die ganze Infrastruktur des Dorfes verwaltet. Deren Leute sind auch da. Das ist wie eine große Familie, alle kennen sich.
Wie lange sind Sie auf Spitzbergen?
Kupiszewski: Ich bin hier seit April und bleibe noch bis Sommer nächstes Jahr, insgesamt fast 16 Monate. Es ist ein super Erlebnis. Es ist etwas Spezielles, hier in diesem Dorf zu wohnen. Es ist sehr international und gar nicht langweilig.
Aber derzeit ist es bei Ihnen den ganzen Tag dunkel. Ist das nicht deprimierend?
Seit Ende Oktober haben wir Polarnacht, das heißt 24 Stunden lang geht die Sonne gar nicht auf. Das dauert noch bis zum 17. Februar, aber wegen der Berge um uns herum werden wir den Sonnenaufgang erst später sehen. Aber wir haben wunderschöne Polarlichter. Vor kurzem waren wir zum Beispiel draußen und haben einen Meteoritenschauer angeschaut. Es ist nicht nur dunkel. Im Dorf haben wir Beleuchtung. Und außerhalb, wenn Schnee liegt und Vollmond ist, kann man ganz gut sehen und die Land- schaft erkennen. Ich finde das gar nicht deprimierend. Man muss sich daran gewöhnen. Und es ist vielleicht auch eine Typfrage.
Was machen Sie auf Spitzbergen?
Ich bin hier als Stationsleiter. Wir sind zu dritt an der Station, mit mir noch ein Observatoriumsund ein Logistikingenieur. Ich mache die Koordination aller wissenschaftlichen Projekte hier. Ich bin die Schnittstelle von unserem Institut in Deutschland, dem Alfred-Wegener-Institut in Bremen, dem französischen Institut in Brest und auch zu Kings Bay und den Wissenschaftlern, die von anderen Institutionen oder Universitäten zu uns kommen. Ich bin auch verantwortlich für die Sicherheit, mache Briefings für Leute, die neu ankommen und kümmere mich um Gäste. Eigentlich bin ich Atmosphärenwissenschaftler. Aber gerade habe ich keine Zeit für eigene Forschungsprojekte.
Welche Gefahren gibt es denn?
Wir haben hier keine Kriminalität. Diese Probleme gibt es hier nicht. Und ich bin auch nicht der Sheriff oder so. Für allgemeine Sicherheitssachen ist Kings Bay zuständig. Ich bin nur für unsere Station verantwortlich. Aber auf Spitzbergen gibt es mehr Eisbären als Leute zum Beispiel.
Kommen die auch an die Station?
Ab und zu sieht man welche. Im Sommer kommt es auch vor, dass sie in die Nähe des Dorfs kommen. Dann muss man sie mit einer Schreckschusspistole erschrecken, damit sie sich nicht an Menschen gewöhnen. Darum muss auch jeder, der hierher kommt, einen Schießkurs und einen Eisbär-Sicherheitskurs machen. Und wenn man das Dorf verlässt, muss man immer eine Waffe mitnehmen oder eine bewaffnete Begleitung.
Wie leben Sie dort? Sehr spartanisch?
Der Komfort ist gut. Ich habe meine eigene Wohnung.