Schwabmünchner Allgemeine

Der Geschmack von Omas Tee

Der Begriff ist etwas Individuel­les. Für Michael Stromer beispielsw­eise die Erinnerung an die Kindheit. Andere verbinden damit keinen Ort, sondern mehr ein Gefühl, einen Geschmack oder einen Geruch

- VON SIEGFRIED P. RUPPRECHT UND PITT SCHURIAN Landkreis Ursprung Heimweh Geborgenhe­it Gemeinscha­ft Landleben Geruch Familie Lebensgefü­hl Selbsterke­nntnis Mutterlieb­e

Ein Geschmack, ein Geruch oder ein Gefühl machen „Heimat“aus. Das berichten Leser im Lokalteil ihrer Heimatzeit­ung.

Was ist Heimat? Wo ist Heimat? Wie fühlt sich Heimat überhaupt an? Eigentlich ganz einfach, denkt man zunächst. Doch bei genauerem Nachhaken hat darüber jeder seine eigene Vorstellun­g. Heimat muss nicht unbedingt ein konkreter Ort sein. Der Begriff hat viel mit Gegenwart, aber auch mit Erinnerung­en und Vertrauthe­it zu tun.

● Für Dietmar Paun aus Langenneuf­nach ist Heimat ein bisschen Sehnsuchts­ort. Heimat sei für ihn vor allem der Ort, wo er aufgewachs­en ist, sagt er. Hier in den Stauden sei er als Mensch verwurzelt. „Als ehemaliger Oberst der Bundeswehr habe ich beruflich in vielen Regionen Deutschlan­ds gelebt“, berichtet er. Doch diese seien nie seine Heimat gewesen, auch nie eine Art zweite Heimat. Ursprüngli­che Heimat könne das nie ersetzen. „Heimat ist für mich immer auch ein Gefühl.“

● Oft merkt man, wie wichtig Heimat ist, erst wenn man weg ist. So wie Michael Stromer aus Bobingen-Siedlung. „Als ich wegen einer Mandeloper­ation ins Diakonisse­nhaus nach Augsburg musste, war das für mich als Kind eine schlimme Sache“, erzählt er. „Da litt ich entsetzlic­h unter Heimweh, fühlte mich allein und verletzlic­h.“Das Heimweh sei bei ihm heute noch fühlbar als Abwesenhei­t von Heimat. Den Begriff Heimat verbindet er auch mit Kindheit. „Da waren der Wald und der plätschern­de Bach“, so Stromer. Nahe am Straßberge­r Schloss habe er mit anderen Kindern im Sommer Räuber und Gendarm oder Fangen gespielt.

● Für Hildegard Marxer aus Graben ist der Heimatbegr­iff so vielschich­tig, dass er sich einer einzigen Definition entzieht. Heimat macht sie mit Gefühlen und persönlich­en Assoziatio­nen fest. „Bei mir ist Heimat – Klischee hin oder her – da, wo ich mich wohlfühle.“Zudem habe der Begriff mit Vertrauthe­it zu tun. „Wenn ich in New York einen Menschen treffe, der meinen Dialekt spricht, dann kann das für einen kleinen Augen- blick auch emotional Heimat sein, getreu dem Motto: Das kenne ich.“Zuhause sei für sie auch ein Ort, an dem sie ein Grundgefüh­l von Geborgenhe­it spürt, beispielsw­eise die eigene intakte Familie.

● Willi Czekalla aus Schwabmünc­hen erlebte ein starkes Heimatgefü­hl schon als 18-Jähriger Mitte der 1960er-Jahre. In seinem Heimatdorf hatte die Jugend keinen Treffpunkt. Da bauten sich er und seine Freunde ein altes Austragshä­uschen als „Bude“aus – samt Bar und Musikanlag­e. Diese Bude sei ihnen zur Heimat geworden.

● Eckhard Schiweck aus Birkach verbindet mit dem Thema das Landleben allgemein, mehr noch: den Respekt davor. „Ich habe eine bewegte Geschichte hinter mir“, erläutert er. Geboren sei er in Masuren in Ostpreußen, während des Zweiten Weltkriegs sei er mit dem Opa mal vor und dann wieder hinter der Front gewesen, schließlic­h sei ihnen die Flucht nach Mecklenbur­g gelungen. Später habe er in Städten studiert und gearbeitet, aber stets auf dem Lande gelebt. „Irgendwann habe ich mir vorgenomme­n, entweder im hohen Norden oder im tiefen Süden zu leben“, sagt Schiweck. Letzteres sei dann eingetrete­n. Landleben sei für ihn nicht nur Qualität, sondern Heimat. Hier genieße er Frieden und die Hilfsberei­tschaft unter den Nachbarn.

● Christa Steinhart, Geschäftsf­ührerin und pädagogisc­he Leiterin der Volkshochs­chule Augsburger-Land, hat gestanden, dass Heimat für sie schwierig an einem Ort festzumach­en sei. Sie verbindet damit zum Beispiel einen Geruch oder den Geschmack nach Omas Butterhefe­zopf und Kräutertee.

● Für Manfred Wolf aus Bobingen hat der Begriff „Heimat“eine kosmopolit­ische Bedeutung. „Nach sechs Jahren Portugal, 18 Jahren Italien und einigen anderen Ländern mehr oder weniger kurz gibt es für mich den Herkunftso­rt nicht als Heimat.“Dort geboren und aufgewachs­en zu sein, bedeutet ihm nur, sich durch einen Besuch an diese Ereignisse zu erinnern. „Heimat ist dort wo meine Familie ist!“● Für Klaus Philipp aus Bobingen fasst der Begriff Heimat vieles zusammen, was ihm wichtig ist: „Der Ort, an dem ich geboren bin und der mein Zuhause ist. Heimat ist aber auch das Gefühl, dass ich mich geborgen fühle, an einem Ort von Liebe und Charme. Heimat hat Farbe, hat einen Geruch, hat Bilder, hat Emotionen, Kultur und Tradition. Eine Vorstellun­g voll Harmonie und Sehnsucht. Ein Habitat mit den vielfältig­sten Lebensform­en.“Stimmungsv­olle Sonnenunte­rgänge, bizarre Bäume, verwunsche­ne Ecken, morbide Gebäude oder Gegenständ­e, Tiere und Pflanzen – das alles reizt ihn gleicherma­ßen, Heimatempf­indungen auch fotografis­ch festzuhalt­en. „Gerade unsere heimische Landschaft zwischen Lech und Wertach, die unendliche Weite – bei Föhn Sicht sogar bis in die Alpen – oder die harmonisch­e Hügellands­chaft der westlichen Wälder rund um Burgwalden, Oberschöne­nfeld, Hardt verleihen auf wundersame Weise ein wahres Lebensgefü­hl.“

● Was einem Menschen Heimat bedeutet, müsse jeder für sich selbst herausfind­en, meint Sabine Presnitz aus Schwabmünc­hen: „Heimat ist ein Wort, das jeder Mensch für sich selbst definieren muss, denn Heimat bedeutet für jeden Menschen etwas anderes und das bedeutet, dass man Heimat nicht erklären kann, sondern einfach erleben muss.“Für sie persönlich ist Heimat: „Meine Familie, meine Federbällc­hen, meine Freunde.“Heimat sei dort zu finden, wo Familie und Freunde sind und einem alleine durch ihr Dasein ein Glücksgefü­hl übermittel­n.

● Als im Jahr 2000 die Tochter von Anne Ulmer die Grundschul­e in Walkertsho­fen besuchte, suchte der damalige Rektor Dietrich Schrott Mitarbeite­r für den Heimat- und Sachunterr­icht aus den umliegende­n Ortschafte­n, aus denen die Kinder in die Grundschul­e kommen. Sie sollten über ihren Heimatort erzählen. Als Vertreteri­n für Reichertsh­ofen hat Anne Ulmer Schrott mit ihrer damaligen 4. Klasse durch Reichertsh­ofen geführt. „Mein Anliegen war es im Besonderen, den Kindern auch zu vermitteln, warum ich gerne in den Stauden und in meinem Heimatort lebe“, erinnert sich die Mutter. Daraus entstand ein Gedicht, welches in Mundart die Schönheit der Landschaft beschreibt, die Stille der Natur und den Frieden. Heimat, so wurde ihr bewusst, habe etwas von Mutterlieb­e. So beginnt auch ihr Gedicht:

„Mei Hoimat isch em Neufnachta­l em scheana Staudaländ­le.

I ka it fut – hau gar koi Wahl, brauch’s wia a Muatr ’s Kendle.“

 ?? Fotos/Repro: Klaus Philipp, Willi Czekalla, Siegfried P. Rupprecht ?? Die Liebe zur Landschaft gehört für Klaus Philipp aus Bobingen zur Heimat (oben): Er hat sie mit seiner Kamera im Bild festge halten. Unter dem früheren Schloss von Straßberg (unten links) spielte sich Michael Stromers Kindheit ab. Er verknüpft damit...
Fotos/Repro: Klaus Philipp, Willi Czekalla, Siegfried P. Rupprecht Die Liebe zur Landschaft gehört für Klaus Philipp aus Bobingen zur Heimat (oben): Er hat sie mit seiner Kamera im Bild festge halten. Unter dem früheren Schloss von Straßberg (unten links) spielte sich Michael Stromers Kindheit ab. Er verknüpft damit...
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany