Der Wucher von Venedig
Ein Wirt aus der beliebten Lagunenstadt soll vier japanischen Touristen für Steaks und Fisch 1100 Euro abgeknöpft haben. Der Fall ist zum Politikum geworden
Die Welt ist ungerecht. Diese Erfahrung mussten kürzlich offenbar auch vier junge Touristen aus Japan machen, als sie sich in ein Restaurant in Venedig begaben. Nahe des berühmten Markusplatzes. Die Gäste aus Asien wählten Fleisch, genauer gesagt vier Steaks, und anschließend frittierten Fisch. In asiatischer Bescheidenheit genehmigten sie sich zu ihrer proteinlastigen Kost ausschließlich Wasser – und trauten dann ihren Augen kaum, als ihnen der Kellner die Rechnung präsentierte.
Rund 1100 Euro soll ihnen das Lokal berechnet haben, berichtete nun die italienische Nachrichtenagentur Was unglaublich klingt, ist so unglaublich nicht. Immer wieder werden vor allem asiatische Touristen Opfer extrem überhöhter Restaurant-Rechnungen in Italien, meist in Venedig oder Rom.
Ob das vor allem an der Skrupellosigkeit der Wirte oder an der naiven Gutgläubigkeit der Gäste liegt, ist nicht bekannt. Die Japaner jedenfalls, die in Bologna studieren, zeigten der Nachrichtenagentur
Ansa.
zufolge den Restaurantinhaber bei der Polizei an. Und bekamen Unterstützung: Sowohl vom Bürgerverein „Gruppe 25. April“aus Venedig als auch von Venedigs Bürgermeister Luigi Brugnaro. Der kündigte an, dem Fall auf den Grund gehen zu wollen. Er sieht den Ruf seiner Stadt gefährdet. „Wenn dieses beschämende Ereignis sich bestätigen sollte, machen wir alles,
Ansa
was möglich ist, um die Verantwortlichen zu bestrafen“, schrieb er am Sonntag auf Twitter und fügte hinzu: „Wir sind für Gerechtigkeit, immer!“
Der Bürgerverein fand inzwischen heraus, dass sich drei der vier Japaner nach dem ersten Tiefschlag ein zweites Mal einem Wirt in Venedig anvertraut hatten. Er soll für drei Teller Pasta mit Fischsauce 350 Euro verlangt haben. Nun stellt sich die Frage, wen hier wie viel Schuld trifft: Venedig, das ja nicht ganz unbekannt dafür ist, Touristen ständig Fallen zu stellen? Oder die japanischen Touristen, die offensichtlich ein besonderes Händchen für das falsche Lokal haben? Das erste, das ihnen die 1100 Euro-Rechnung auftischte, soll einschlägig bekannt gewesen sein. Auf dem Bewertungsportal Tripadvisor, so berichtet
hätten Besucher dringend von einem Besuch abgeraten. „Peinlich für Italien“, lautete ein Kommentar. „Sofort schließen!“ein anderer.
Erst im November berichteten Medien über einen ähnlichen Fall. Damals allerdings sorgte Bürgermeister Luigi Brugnaro für Schlagzeilen, weil er drei Touristen als „Bettler“beschimpft hatte. Der österreichischen Zeitung zufolge habe er in einem TV-Interview gesagt: „Sie essen und trinken und behaupten dann, sie sind geprellt worden, weil sie kein Italienisch können. Wenn man nach Italien kommt, muss man Italienisch lernen, auch ein wenig Venezianisch zu können, wäre nicht schlecht.“
Ein in Großbritannien lebender Professor chinesischer Abstammung hatte, so der Brugnaro zuvor
Ansa, Kurier, Kurier
einen Protestbrief geschickt. Seine Eltern und er hätten in einem Restaurant nahe dem Markusplatz 526 Euro für ein Mittagessen zahlen müssen. Der Lokalinhaber habe ihnen Gerichte serviert, die sie nicht bestellt hätten – darunter Austern und Hummer. Brugnaro sagte dazu: „Die Touristen haben Hummer und Austern vertilgt und nichts auf dem Teller gelassen.“
In ein paar Wochen ist Karneval in der Lagunenstadt, der Ausnahmezustand programmiert. Nicht nur Wirte oder Gondolieri reiben sich bereits die Hände. Die „Gruppe 25. April“will bis dahin eine Checkliste veröffentlichen, mit deren Hilfe sich Touristen vor Unannehmlichkeiten schützen können. Zum Erhalt des guten Rufs Venedigs. Bürgermeister Brugnaro greift derweil zu anderen Mitteln. Er brachte im November Österreicher gegen sich auf, als er nach den Berichten über das 526-Euro-Essen auf Facebook ein Foto veröffentlichte. Es zeigte eine Rechnung über 11,60 Euro für vier Espresso am Wiener Flughafen. Bei wem solle er sich darüber beschweren? Beim armen Bürgermeister der Stadt?, fragte er provokant.
„Wir machen alles, um die Verantwortlichen zu bestrafen“Venedigs Bürgermeister Luigi Brugnaro