Merkel warnt vor Abschottung
Zwei Jahre hatte sie den großen Auftritt in Davos gemieden. Nun wirbt die Kanzlerin für gemeinsame Lösungen der Weltkrisen
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat eindringlich vor Protektionismus und Abschottung gewarnt und ein Plädoyer für eine umfassende internationale Zusammenarbeit gehalten. „Deutschland will ein Land sein, das auch in Zukunft seinen Beitrag leistet, um gemeinsam in der Welt die Probleme der Zukunft zu lösen“, sagte Merkel am Mittwoch vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Auch darum sei es so wichtig, dass Deutschland schnell eine neue Regierung bekomme. Ohne US-Präsident Donald Trump zu erwähnen, der am Freitag in Davos spricht, sagte Merkel: „Wir glauben, dass Abschottung uns nicht weiterführt. Wir glauben, dass wir kooperieren müssen, dass Protektionismus nicht die richtige Antwort ist.“Wenn man der Meinung sei, dass die Dinge nicht fair zugingen, müssten multilaterale und nicht einsame Lösungen gesucht werden.
Angesichts der Katastrophen des 20. Jahrhunderts mit den beiden Weltkriegen fragte Merkel: „Haben wir nun wirklich gelernt aus der Geschichte oder haben wir es nicht?“Merkel sprach sich für ein entschlossenes Vorgehen gegen den Rechtspopulismus aus. Der sei „ein Gift“für die Gesellschaft, das aus ungelösten Problemen entstehe. In der Flüchtlingskrise nach 2015 hätten viele Menschen befürchtet, ihnen werde etwas weggenommen. „Wenn das zusammenkommt mit einer wirtschaftlichen Schwäche und einer hohen Arbeitslosigkeit, dann ist die Gefahr einfach sehr groß, dass daraus eben diese Kraft entstehen kann, die sagt: Nur noch wir selbst.“
Eine konkrete Antwort auf die des französischen Präsidenten Emmanuel Macron für eine Reform der EU gab sie nicht. Macron habe aber zusätzlichen Schwung in die EU gebracht. „Das wird uns stärken“, sagte sie. So werde gemeinsam an einer Reform der Unternehmenssteuer in Europa gearbeitet. Dringlich seien der Ausbau des digitalen Binnenmarkts und eine Angleichung der Wettbewerbsfähigkeit unter den EU-Ländern.
Die Herausforderungen der Digitalisierung nahmen breiten Raum in ihrer Rede ein. „Wir brauchen eine soziale Marktwirtschaft 4.0“, sagte sie. Derzeit stehe Deutschland nicht an der Spitze der Digitalisierung. „Ich fühle, dass wir Druck haben.“Es gebe in allen Ländern Zweifel, ob es angesichts von Digitalisierung und der weltweiten Veränderungen gelinge, alle Menschen mitzunehmen. Auch eine engere Zusammenarbeit der EU-Staaten in der Außenpolitik mahnte Merkel an. „Wir müssen unser Schicksal mehr in die eigene Hand nehmen“, sagte sie. „Die einheitliche europäische Außenpolitik ist noch nicht ausreiVorschläge chend entwickelt.“Das sei notwendig, weil ein Großteil der globalen Konflikte „vor unserer Haustür stattfindet“. Als Beispiel nannte die Kanzlerin den Syrien-Konflikt.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron forderte, die Globalisierung gerechter zu gestalten: „Wenn ich dieser Globalisierung nicht wieder Sinn gebe, wenn ich den Leuten nicht sagen kann, dass sie gut für sie ist, dann werden in fünf Jahren, zehn Jahren, 15 Jahren die Nationalisten, die Extremen, gewinnen.“Macron forderte einen „neuen weltweiten Pakt“, der nicht nur Sache der Regierungen sein dürfe, sondern der in die Modelle von Banken und Unternehmen integriert werden müsse. Der Staatschef nannte dafür drei zentrale Punkte: mehr Investitionen, eine gerechtere Verteilung der Wertschöpfung und eine „Pflicht zu schützen“.
Trotz der Ankündigung neuer US-Strafzölle hat die chinesische Führung angekündigt, weiter für offene Märkte einzutreten. „Wir werden uns auf ganzer Breite der Welt weiter öffnen“, sagte Liu He, der wichtigste Wirtschaftsberater von Präsident Xi Jinping. China werde Handelsbeziehungen vertiefen und Barrieren abbauen.
US-Wirtschaftsminister Wilbur Ross verteidigte die Strafzölle auf Waschmaschinen und Solarpaneele. „Handelskriege werden jeden Tag ausgefochten. Jeden Tag verletzen verschiedene Parteien die Regeln und ziehen einen unerlaubten Vorteil daraus“, sagte er Journalisten am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos. „Jetzt besetzen die US-Truppen ihre Verteidigungsmauern.“