Kampf gegen einen „lautlosen Killer“
Hepatitis C macht lange Zeit keine Beschwerden. Innovative Medikamente heilen inzwischen die meisten Patienten
Vor etwa zwanzig Jahren erhielt Manfred F. eine Diagnose, die ihn aus der Bahn warf: Bei ihm wurde Hepatitis C festgestellt. „Es hieß damals: Da ist nichts zu machen!“, berichtet der 62-Jährige. Tatsächlich sah es für ihn lange schlecht aus: Eines Tages war seine Leber so kaputt, dass er auf die Warteliste für eine Organtransplantation gesetzt wurde. Dazu kam es aber nicht: Dank neuer Medikamente ist Manfred F. heute virenfrei. Auch seine Leber hat sich einigermaßen erholt.
Wann und wie er sich angesteckt hat, weiß der Frührentner nicht. Wahrscheinlich hat er sich das Virus schon in der Jugend eingehandelt: „Ich gehe davon aus, dass ich damals über eine unsaubere Spritze beim Zahnarzt angesteckt wurde.“In der Zeit danach entwickelte er nämlich einen unerklärlichen Widerwillen gegen fette Nahrungsmittel wie Butter und Leberwurst. Dass mit seinem Körper etwas nicht stimmte, wurde ihm erst viele Jahre später klar: Damals fühlte er sich ausgerechnet nach dem Urlaub so abgeschlagen, dass er zum Arzt ging. Und von der Krankheit erfuhr.
„Lebererkrankungen machen im Allgemeinen wenig Beschwerden“, sagt der Hepatitis-Experte Christoph Berg von der Universitätsklinik Tübingen. „Die Leber hat keine Nerven und tut daher auch nicht weh. Wenn man etwas spürt, ist die Erkrankung schon weit fortgeschritten.“
Kommt noch hinzu, dass die Symptome einer Hepatitis C sehr unspezifisch sind: Die Patienten sind vor allem erschöpft und müde, mitunter haben sie weitere unklare Beschwerden, etwa Gelenkschmerzen. Bis die Krankheit entdeckt wird, dauert es oft viele Jahre. Daher wird sie manchmal als „lautloser Killer“bezeichnet.
Stephan Vetter, Leiter der Hepatitis-Sprechstunde am Klinikum Ludwigshafen, sagt: „Man geht davon aus, dass etwa zwanzig Prozent der Infizierten nicht wissen, dass sie betroffen sind.“Wie viele Menschen in Deutschland Träger des Hepatitis-C-Virus sind, ist daher unklar. Schätzungen zufolge sind es bis zu 500 000.
Übertragen wird das Virus vor allem über den Kontakt mit infiziertem Blut. Zu den Risikogruppen gehören insbesondere Drogenabhängige, die gemeinsame Spritzen und Kanülen benutzen. Auch beim unsauberen Tätowieren können die Erreger in den Körper gelangen. „Eine sexuelle Übertragung ist dagegen selten“, sagt Berg.
Bei vielen Patienten lässt es sich nicht klären, wie sie sich angesteckt haben. So erklärt Vetter: „Dreißig bis fünfzig Prozent wissen nicht, wie sie sich infiziert haben. Das liegt auch daran, dass es so lange dauert, bis es zu Beschwerden kommt.“
Oft entdecken Ärzte die Krankheit zufällig: nämlich dann, wenn ein Patient unerklärlich schlechte Leberwerte hat. Auch bei Manfred F. wurden schon früh erhöhte Leberwerte festgestellt. Fälschlicherweise hätten die Ärzte daraus aber wohl geschlossen, dass er viel Alkohol trinke, erzählt er.
Wird eine chronische Hepatitis C nicht behandelt, kommt es bei jedem vierten Patient innerhalb von 20 Jahren zu einer Leberzirrhose. Eine solche „Schrumpfleber“arbeitet nicht mehr richtig, was viele Störungen nach sich ziehen und im Extremfall zum Tod führen kann. Außerdem ist das Risiko, Leberkrebs zu bekommen, deutlich erhöht.
Hepatitis C galt früher als unheilbar. Das Blatt wendete sich, als ab 2014 „Sofosbuvir“und weitere innovative Medikamente auf den Markt kamen. Die neuen Mittel hindern die Viren daran, sich zu vermehren. Innerhalb von acht bis 12 Wochen lassen sich damit mehr als 95 Prozent der Hepatitis-C-Patienten heilen, wie Berg erklärt. „Wer nicht darauf anspricht, bekommt eine Folgetherapie, die fast immer erfolgreich ist“, sagt der Leber-Experte. „Dass wir jemandem am Ende nicht helfen können, ist die ganz große Ausnahme. Die neuen Medikamente sind ein Quantensprung in der Hepatitis-C-Therapie.“Die Kosten werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.
Auch Manfred F. nahm die neuen Tabletten. Bei den Blutuntersuchungen zeigte sich, dass die Virenzahl immer weiter abnahm. „ Am Ende war das Virus verschwunden“, berichtet der 62-Jährige begeistert. Die jahrzehntelange Leberentzündung hat zwar Spuren in seinem Körper hinterlassen. So hat F. eine Krampfader im Magen, auch die Leber selbst ist von der Zirrhose gezeichnet. Doch sind seine Leberwerte inzwischen weitgehend normal.
Tatsächlich werden die Medikamente der jüngsten Generation auch dann empfohlen, wenn HepatitisPatienten schon eine Leberzirrhose haben. Von leichten Schäden kann sich das Organ sogar erholen. Vetter sagt: „Nur wenn die Zirrhose extrem weit fortgeschritten ist, ist es fraglich, ob die Patienten von der medikamentösen Therapie profitieren.“In manchen Fällen kommt man dann um eine Transplantation nicht herum.
Manfred F. geht es inzwischen recht gut. Allmählich verfügt er wieder über mehr Energie und kehrt schrittweise zurück ins Leben: „Jetzt will ich auch mal Urlaub machen“, sagt er hoffnungsfroh.
Die Leber hat keine Nerven und daher auch kein Schmerzempfinden