Gewohnheitstiere vor den Bildschirmen
Viele deutsche Fernsehzuschauer pflegen feste Rituale. Jeden Abend läuft die Tagesschau, am Sonntag gehört der Tatort zum Pflichtprogramm. Beständigkeit, das schätzt das deutsche Fernsehpublikum. Die Winterspiele in Pyeongchang bestätigen das. und die staatlich finanzierten Flaggschiffe der deutschen Fernsehlandschaft, haben bei den Übertragungsrechten eigentlich den Kürzeren gezogen. Keine Berichterstattung nach 17 Uhr, keine Highlights am Abend. Trotzdem waren die Öffentlich-Rechtlichen der Konkurrenz von bei den Einschaltquoten weit voraus.
Gerade in den Abendstunden hätte der Privatsender sein Olympia-Monopol ausspielen können. Immerhin hat sich die TV-Lizenz samt abendlichen Sendezeiten für stolze 1,3 Milliarden Euro bis in das Jahr 2024 gesichert. Mit der 20.15 Uhr-Sendung „zwanzig18 – Die Olympia Show“wollte der Sender „einen ungewöhnlichen Mix aus Sport und Entertainment bieten“. Das Versprechen hat er gehalten – ungewohnt war der Mix tatsächlich. Die Show
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zeigte nicht nur einen Überblick über das Tagesgeschehen, sondern lieferte mit launigen Reportagen aus Südkorea interessante Einblicke in eine fremde Kultur. Allerdings griffen die Programmplaner bei ihren Gästen teils übel daneben.
Die Sängerin Ella Endlich etwa brachte Prominenz ins Studio, allerdings wenig Begeisterung für die Winterspiele. Sie interessiere sich für Tennis, Wintersport sei weniger ihr Ding. Was macht sie dann in der Sendung? Zumindest haben nicht allzu viele Menschen diesen peinlichen Moment mitbekommen. Die Einschaltquoten von „zwanzig18“bewegten sich im Durchschnitt zwischen 200 000 und 300 000 Zuschauern. Zum Vergleich: den Tatort vom vergangenen Sonntag verfolgten gut zehn Millionen Menschen.
Auch tagsüber bei der Live-Berichterstattung hinkte der Privatsender bei den Quoten hinterher. Als am Mittwoch das deutsche Eishockeyteam die Schweden aus dem Turnier warf, verfolgten durchschnittlich 3,51 Millionen Zuschauer das Ereignis im konnte zeitgleich nur 190000 Menschen
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vor die Bildschirme ziehen. Dabei musste sich der Privatsender mit seinem Live-Programm nicht vor den Öffentlich-Rechtlichen verstecken. Gute Moderatoren ordneten das Geschehen nicht nur sauber ein, sondern brachten auch Stimmung in deutsche Wohnzimmer. Nicht zuletzt Eishockey-Moderator Patrick Ehelechner – mit Jubelschreien und Gesangseinlagen zog er die Zuschauer direkt in die Eisarena von Gangneung.
Die meisten deutschen Zuschauer kümmerte das aber nicht. Gewohnheitsmäßig wanderte ihre Hand zu den Tasten eins oder zwei auf ihrer Fernbedienung, um bei den Öffentlich-Rechtlichen mit den deutschen Athleten mitzufiebern. Für und ist das ein Erfolg – und dazu ein überaus bequemer. Denn die Sendeanstalten wissen: Sie brauchen weder neue Ideen noch mutige Experimente, um den Zuschauer vor den Bildschirm zu holen. Und wie sich nun gezeigt hat, können sie sogar auf abendliche Highlights verzichten – wenn die restliche Qualität stimmt, werden ihnen die Zuschauer treu bleiben.
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