Forscher helfen Ermittlern beim Verbrecherfang
Die Spurensuche im Internet wird immer wichtiger. Wie eine neue Kooperation der Hochschule mit der Polizei dazu beitragen soll, auch raffinierten Tätern auf die Schliche zu kommen
Es war Mord. Am Tatort treffen die ersten Teams der Polizei ein, um die üblichen Spuren zu sichern: Mordwaffe, DNA oder verräterische Fasern, die vom Täter stammen. Klassische Ermittlungsarbeit eben. Dann wird neben dem Opfer ein Smartphone gefunden. Doch es ist zertrümmert, die Schnittstellen zum Auslesen von Daten sind zerstört. Was könnte dieses kaputte Handy noch über Verbindungen zwischen Täter und Opfer verraten? Hier beginnt die Arbeit der Cyber-Ermittler im Polizeipräsidium Schwaben Nord. Die Kommissare bekommen nun Unterstützung von Wissenschaftlern. Am Freitag wurde ein Kooperationsvertrag zwischen dem Präsidium und der Hochschule Augsburg unterzeichnet.
In der Polizeiarbeit wird die Auswertung digitaler Spuren – die ITForensik – immer wichtiger. Studien zufolge nutzen rund 80 Prozent der Deutschen ein Smartphone. Auch insgesamt steigt die Zahl von Geräten, die an das Internet angeschlossen sind, permanent an. Lampen, Steckdosen, Bewegungsmelder an Fenstern und Türen oder Haushaltsgeräte sind miteinander vernetzt und sammeln nebenbei Daten über das Verhalten von Nutzern. Das sind Informationen, die bei der Aufklärung von Verbrechen helfen können. Doch es gibt auch Probleme. „Die Entwicklungen gerade im Bereich der IT-Forensik sind enorm und entfalten eine unheimliche Dy- und Geschwindigkeit“, sagt der Hochschulpräsident Gordon Thomas Rohrmair. Kriminelle finden jedoch immer neue Wege, um Sicherheitslücken zu nutzen.
An der Hochschule spielt das Thema Digitalisierung in Forschung und Lehre schon länger eine große Rolle. Am hochschuleigenen Institut für innovative Sicherheit (HSA innos) werden auch Unternehmen in Sachen Datensicherheit beraten. Deshalb ist es für die Forscher wichtig, aktuelle Entwicklungen zu analysieren. Als ein Beispiel für Datenmissbrauch nennt Rohrmair Erpressungen im Internet, bei denen Computer blockiert und nur gegen Lösegeld wieder freigegeben werden. Ein anderes Beispiel ist das Internet der Dinge, in dem Nutzer viele digitale Spuren hinterlassen – Daten, die ebenfalls von Kriminellen missbraucht werden können.
Die neuesten Erkenntnisse der IT-Forensiker an der Hochschule will wiederum das Polizeipräsidium Schwaben Nord stärker nutzen. Präsident Michael Schwald sagt: „Wir wollen mit der Kooperation den Wissenstransfer zwischen Polizei und Hochschule intensivieren. So haben wir die Möglichkeit, an innovativen Entwicklungen teilzuhaben und diese für die kriminalistische Ermittlungsarbeit zu nutzen.“Es gehe darum, festgestelltes Täterverhalten anonymisiert in Bekämpfungsstrategien einzubringen, um es Straftätern möglichst schwer zu manamik chen.“Das große Ziel des neuen Kooperationsvertrages ist, die Zusammenarbeit von Hochschule und Polizeipräsidium in der Forschung, Entwicklung und Ausbildung im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik zu formalisieren und zu koordinieren. Vorgesehen ist auch, dass sich die Experten der Polizei Schwaben Nord regelmäßig mit den Innos-Informatikern über aktuelle Entwicklungen in der IT-Forensik austauschen. Darüber hinaus sollen neue Möglichkeiten für Hospitanzen und Praktika von Hochschulstudenten bei der Polizei geschaffen werden. Ein weiteres Thema ist, passgenaue Weiterbildungsmöglichkeiten zur Cybersicherheit und IT-Forensik zu entwickeln. Schwald betont, dass es bei der Zusammenarbeit um grundsätzliche Fragen gehe, wie digitale Spuren in der Polizeiarbeit noch besser ausgewertet werden können. Bei der täglichen Ermittlungsarbeit sollen die Hochschulforscher die Kommissare nicht unterstützen. Wichtig ist dem Präsidenten des Polizeipräsidiums auch, dass es nicht vorgesehen sei, mit Hilfe von Wissenschaftlern große Datenmengen ohne Anlass zu sammeln. Vielmehr gehe es um fallbezogene Informationen. Leitender Kriminaldirektor Marco Böck sagt, dass für die Ermittler gerade Erkenntnisse über Verhaltensweisen von Tätern immer wichtiger werden, die sich über digitale Spuren nachvollziehen lassen. Das erweitere die Aufklärungsmöglichkeiten bei Verbrechen erheblich.
Wie das konkret aussehen kann, demonstrierte am Freitag ein Forscher der Hochschule. Peter Schulik arbeitet mit seinem Team an fortgeschrittenen Techniken, die helfen, Daten von vernetzten Geräten auszulesen und zu rekonstruieren. Das funktioniert selbst bei einem zerstörten Smartphone, bei dem die normalen Schnittstellen zur Datenübertragung nicht mehr vorhanden sind (Bluetooth oder USB) , oder in dem zuvor problematische Daten gelöscht wurden. Beispielsweise kann Schulik den wärmeempfindlichen Speicherchip im Handy mit Fräse und Schleifmaschine vorsichtig aus dem Smartphone lösen und dann den Inhalt auslesen.