Eine starke Eigenschaft?!
Sie gehört nicht gerade zu den beliebten menschlichen Eigenschaften: die Dünnhäutigkeit. Denn wer dünnhäutig ist, dem geht alles viel zu nah, dem geht alles viel zu schnell unter die Haut. Der oder die ist immer gleich getroffen. So sagt man jedenfalls.
Ein dickes Fell ist da doch wirklich die bessere Ausstattung – vor allem in einer Zeit, in der es von besorgniserregenden Meldungen in den Nachrichten nur so wimmelt; besonders auch in einer Gesellschaft, in der der Konkurrenzdruck zunimmt und nur derjenige weiterkommt, der hart im Nehmen ist. So meint man jedenfalls.
Und ja, es stimmt: Dünnhäutige reagieren sehr empfindsam auf das, was um sie herum geschieht. Sie stecken eine ruppige Bemerkung nicht einfach weg, sondern nehmen sich zu Herzen, wie andere mit ihnen umgehen. Anstatt laut und rabiat Widerpart zu geben, leiden sie an einer gefühlskalten und rücksichtslosen Umwelt und ziehen sich betroffen zurück. Oft werden sie deshalb als „Sensibelchen“abgestempelt.
Dabei kann „Dünnhäutigkeit“durchaus auch als Stärke betrachtet werden. Oder ist es etwa nicht stark, wenn jemand mitfühlt und mitleidet, wenn er von Menschen in Not erfährt? Leichter und bequemer ist es, dichtzumachen und sich abzuschotten. In der Mitarbeiterküche zum Beispiel, wenn böse Lästerzungen wieder einmal das große Wort führen. Ist es da nicht stark, wenn jemand zugibt, dass ihn das verletzt? Ist es nicht stark, Tränen zuzulassen, anstatt verbissen weiterzukämpfen, wenn man am Rand der Überforderung steht?
Die Bibel erzählt, dass auch Jesus geweint hat und verzweifelt gewesen ist, als er Bosheit und Hartherzigkeit ausgesetzt war. In den Wochen vor Ostern geht es um seine Passion – um sein Leiden in einer Welt, die für Zartgefühl und Empfindsamkeit keinen Raum mehr lässt. Mit seiner Dünnhäutigkeit zeigt Jesus, welche Eigenschaften wirklich stark sind.