Der Wirtschaftskapitän und sein Schiff
In 30 Jahren hat Firmengründer Ronald Herkert die Forum Media Group zu einem international tätigen Anbieter von Fachinformationen entwickelt. Auch die Seefahrt spielte dabei eine Rolle
Was braucht es, um ein Schiff erfolgreich zu lenken? Da muss Ronald Herkert nicht lange überlegen: Weit vorausschauen. Gemeinsam besprechen, was zu tun ist und welche Aufgabe jeder Einzelne hat. Und immer bedenken, dass es auf das ganze Team ankommt. „Was auf dem Schiff im Kleinen gilt, gilt auch für ein Unternehmen im Großen“, sagt Herkert. Er muss es wissen, schließlich hat er nicht nur als junger Mann ein Kapitänspatent erworben, sondern später auch die Forum Media Group (FMG) gegründet, die er seit 30 Jahren mit sicherer Hand durch das Verlagsgeschäft steuert.
Mit weltweit fast 1200 Mitarbeitern und einem Umsatz von 110 Millionen Euro hat sich das in Merching (Kreis Aichach-Friedberg) ansässige Unternehmen zu einem führenden Dienstleister in der Wissensvermittlung entwickelt. Dabei hatte der gebürtige Aalener Herkert eigentlich ein ganz anderes Berufsziel: Als er 1969 die mittlere Reife abgelegt hatte, wollte er etwas von der Welt sehen. „Aber große Urlaubsreisen gab es damals ja nicht“, blickt er auf die Jugend in der schwäbischen Provinz zurück. Herkert heuerte also auf einem Schiff an mit dem Ziel, Kapitän zu werden. Der Besuch der Seefahrtsschule eröffnete ihm den Weg zum Betriebswirtschaftsstudium an den Unis in Bremen und Augsburg.
Eigentlich wollte er nach dem Abschluss zurück in den Norden, um ins Reedergeschäft einzusteigen. „Aber 1980 gab es keine deutsche Seefahrt mehr“– Herkert musste sich neu orientieren und stieß auf eine Stellenanzeige des jungen Kissinger Weka-Verlags: „Ich hatte den Eindruck, dort könne man etwas bewegen.“Tatsächlich wuchs Weka in den 80ern mit Dienstleistungen im Bereich der Fachinformation von 16 auf nahezu 2000 Mitarbeiter. Und Herkert hatte das Gefühl, als Führungskraft mehr mit sich selbst beschäftigt zu sein als mit dem Markt und den Kunden. Zeit, etwas Neues zu wagen.
1988 startete er darum ein eigenes Unternehmen – mit zwei freigeräumten Zimmern in seinem Wohnhaus, mit einer Anzeigenverkäuferin und einem kleinen Blatt namens
in dem verschiedene Produkte redaktionell vorgestellt wurden. Nach einem Jahr betreuten sechs bis sieben Mitarbeiter bereits 20 Kundenzeitschriften. Der nach dem Anzeigenblatt benannte Forum-Verlag wuchs, zog immer wie-
Forum,
der um, wenn das nötige Geld in der Kasse war, bis schließlich die Öffnung des Ostens 1989/90 ganz neue Chancen bot.
Der Bedarf an Fachinformationen war groß und sollte mit Loseblattsammlungen, Seminaren und Formularen gestillt werden. „Wir haben gemerkt, da ist ein aufnahmefähiger Markt“, erzählt der Unternehmer. Und zwar nicht nur in den neuen Bundesländern, sondern auch in den Ländern des ehemaligen Ostblocks. Dem erfolgreichen Schritt nach Polen folgte die Expansion nach Ungarn, Slowenien, Tschechien, Russland und Rumänien. Nicht alles glückte. Aus China, einem extrem schwierigen Markt, zog sich Forum bald zurück. Ebenso aus Italien. „In Italien kann man Urlaub machen, aber keine Geschäfte“, fasst Herkert seine Erfahrungen jenseits des Brenners zusammen.
„Unser heutiges Geschäft hat mit den Anfängen nicht mehr viel zu tun“, berichtet Herkert. Weil in den 80er Jahren der nationale Markt für Fachinformationen extrem gut besetzt war, verlegte sich Herkert zunächst auf Kundenzeitschriften. Fachinformationen kamen erst nach der Wende hinzu. „Wenn die Grenze nicht aufgegangen wäre, hätten wir diesen Schritt nicht getan“, sagt Herkert. Und inzwischen haben die Loseblattsammlungen, mit denen Forum groß geworden ist, ihre wichtige Rolle wieder verloren. Das Portfolio ist breit angelegt und umfasst nicht nur Fachpublikationen für das Berufsleben und Special-Interest-Produkten für Hundehalter, oder Golfer. Auch Messen, Konferenzen, Seminare und andere Fortbildungsveranstaltungen sind zum Kerngeschäft geworden. Die Digitalisierung ist, meist in Verbindung mit anderen Kanälen, längst unverzichtbar.
„Es gibt inzwischen Produkte, da kann ich gar nicht mehr mitentscheiden“, räumt der 64-Jährige ein. Immer wieder Neues ausprobieren – dazu holt die Unternehmensleitung viele junge Leute aus den unterschiedlichsten Fachrichtungen direkt von der Uni in die Firma und überträgt ihnen Verantwortung. „Wir leben von Ideen und Kreativität. Das Schlimmste, was uns passieren kann, ist Verkrustung“, heißt es an der Firmenspitze. So wird vieles ausprobiert, aber manchmal auch wieder aufgegeben, wenn es sich wirtschaftlich nicht darstellen lässt. Permanent offen sein und lernen lautet die Devise.
So groß wie die Freiräume, so hoch sind auch die Erwartungen. Dass die Fluktuation bei den jungen Mitarbeitern 20 bis 25 Prozent beträgt, sieht man in der Geschäftsführung aber nicht als Nachteil. 30 Jahre nach der Firmengründung steigt aber die Zahl der langjährigen Mitarbeiter, berichtet Holding-Geschäftsführer Norbert Bietsch. Die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit liegt bei acht Jahren. Und nur zwei der 35 Führungskräfte wurden direkt eingestellt, alle andeReiter ren machten ihren Weg im Unternehmen. Eine „gläserne Decke“gebe es nicht, versichert Rosina Jennissen, die selbst seit 20 Jahren im Haus ist und das Zeitschriftengeschäft verantwortet. Der Frauenanteil ist hoch, was laut Verlagsleiterin Dorothe Köller ganz allgemein am Mediengeschäft liegt, doch mit 56 Prozent ist bei der FMG auch der Anteil der weiblichen Führungskräfte überdurchschnittlich stark.
Durch Zukäufe und Neugründungen ist die Forum Media Group inzwischen in Nordamerika, Europa, Asien und Australien vertreten. Trotz globaler Präsenz fühlt man sich in der Region verwurzelt, gibt Geld für soziale Zwecke und engagiert sich bei der Industrie- und Handelskammer. Hauptsitz ist weiterhin Merching, wo 1995 der erste Bauabschnitt des Firmengebäudes entstand und derzeit über 300 Mitarbeiter beschäftigt sind. Der Name Forum gab das architektonische Programm vor: Die Büroflügel gruppieren sich um ein verglastes Zentrum, das für Meetings und Mittagspausen ebenso dient wie für Firmenveranstaltungen.
Die Holding, unter deren Dach die Tochtergesellschaften sehr selbstständig agieren, wird von einer fünfköpfigen Geschäftsführung gesteuert. Vor einigen Jahren hat sich Ronald Herkert als Vorsitzender des Gremiums zurückgezogen und leitet nun als Alleingesellschafter den Beirat. Zwar verbringt er nur noch drei Tage pro Woche in der Firma – emotional und geistig sei er aber noch immer voll dabei, versichert er. Die Weichen für seine Nachfolge sind mit den beiden Töchtern gestellt. Die Jüngere ist bereits in der Firma, die Ältere möchte nach der Familienzeit einsteigen. Herkert bekennt, darüber einerseits froh zu sein; andererseits wisse er aber auch, was er den Töchtern zumute. „Das Unternehmen soll unabhängig von mir funktionieren“, wünscht sich Herkert.
Das Unternehmen ist heute global präsent