Der Aufstieg des Rüpel Raps
Provokationen oder Tabubrüche gehören zu der Musikrichtung. In den USA kommt man davon inzwischen ab
Es ist ein Skandal, der zugleich Tradition hat und ein Zeichen unserer Zeit ist. Denn dass die Deutsch-Rapper Kollegah und Farid Bang nun mit Reimen, die moralische Grenzen verletzen, als eine der erfolgreichsten Musiker mit dem Echo ausgezeichnet wurden, verweist auf zweierlei: Hip-Hop mit seinen Spielarten ist zur kommerziell erfolgreichsten Musikrichtung der Welt aufgestiegen, kreiert globale Stars und immer weiter wachsende nationale Szenen; und seine Wurzeln liegen in den sozial prekären US-Vierteln, in deren Sprache die Gewalt, Beschimpfung und tabulose Härte aus der Beschreibung der unmittelbaren Lebenskämpfe Einzug hielten.
Das soll nun freilich nicht rechtfertigen, kann aber erklären. Dass Polizisten mindestens „pigs“(Schweine), dass Frauen „bitches“(Huren), dass Schwarze „nigger“, dass Schwächlinge „faggot“(Schwuchteln) waren, gehörte ebenso zum Straßen-Slang wie Knarren zum Alltag gehörten – und für die Beschimpfung des Halsabschneiders die Figur des Juden herhalten musste. Aus der anfänglichen Abbildung des Tatsächlichen durch den Rap ist aber eine Pose geworden, die den harten Kerl in der Härte seiner Sprache und die Stärke seiner Position in der tabulosen Unerbittlichkeit beim ehrabschneidenden „Dissen“, also Schlechtmachen, anderer beweist: das reimende Kräftemessen im Battle-Rap. Wer am fiesesten die Mutter des anderen zu beschimpfen und den anderen am gewitztesten auszuweiden verstand, war Sieger.
Das Wachstum des Rap aus der Nische heraus in die weltweiten Jugendkulturen und in die Charts hat damit eine Pose und eine Sprache nicht nur in die Aufmerksamkeit des Mainstreams gespült – die Haltung und der Wettbewerb der Derbheiten haben auch längst in die Debatten der sozialen Netzwerke Einzug gehalten. Und wenn man sich heute, in Zeiten der #MeToo-Debatte, etwa über das sogenannte „Manspreading“, das breitbeinige Sitzen der Männer, empört – im Rap ist das geradezu die klassische Pose.
Gewesen. Denn in den USA hat sich inzwischen zumeist eine reflektiertere Form des Textens durchgesetzt, aktuell etwa mit Stars wie Kendrick Lamar. In Deutschland aber feiert seit einigen Jahren neben Nettigkeiten wie Cro der sogenannte Rüpel-Rap Urstände. Und sind einstige Protagonisten wie Sido oder Bushido älter und gemäßigter geworden – es stehen mit Typen wie Haftbefehl, Frauenarzt oder King Orgasmus One (die nennen sich ja nicht umsonst schon so) immer neue harte Typen auf, die meinen, die alte Pose mit immer neuen Provokationen aufrechterhalten, ja immer aufs Neue überbieten zu müssen.
Und noch immer gilt, gerade in Zeiten des medialen Überangebots und des gestiegenen Wettkampfs um Aufmerksamkeit: Skandale helfen. Aber wie soll man damit umgehen, wenn der kommerzielle Erfolg der Rapper sie unweigerlich in den Fokus von Hitparaden und Preisverleihungen rückt? Durch Zensur? Die Echo-Verleihung hat auch diese Debatte ausgelöst.
Typen wie Haftbefehl nennen sich nicht umsonst so