Brechtfestival: „Bis Sommer eine Entscheidung“
Leitungsfrage Die Suche nach einem Nachfolger für Patrick Wengenroth hat begonnen. Kulturreferent Thomas Weitzel erklärt, warum es schwierig ist, bekannte Künstler zu gewinnen.
Herr Weitzel, wie hat Ihnen das letzte Brechtfestival gefallen?
Thomas Weitzel: Prinzipiell fand ich die Theatergastspiele sehr gelungen. Ich fand sie alle drei auf einem sehr hohen Niveau. Man hat am Publikumszuspruch gemerkt, dass es die Form ist, die das größte Interesse nach sich zieht. Was mich irritiert und enttäuscht hat, dass zwei hochrangige deutsche Gegenwartsautorinnen, nämlich Kathrin Röggla und Sasha Marianna Salzmann, das Publikum nicht so gezogen haben. Für uns ist immer auch wichtig, dass die Literatur im Festival eine Rolle spielt. Wir wollen auch daran festhalten.
Die großen Namen, die bekannten Künstler, fehlten dem Brechtfestival 2018. Wie stehen Sie dazu?
Weitzel: Die großen Namen wie Milva, Ute Lemper, Hanna Schygulla, Dagmar Manzel waren in den Festivals von Joachim Lang ja schon alle da. Es gibt im Augenblick keinen neuen Künstler, der uns einen großen Brechtabend beschert. Da kommt niemand nach. Und so etwas kann man nicht beauftragen. Diese Abende sind in einer anderen Zeit entstanden. Wir können uns so etwas wünschen: Aber letztendlich müssen das die Künstler selbst machen. Den Markt gibt es derzeit offenbar nicht.
Es hätte ja durchaus nahegelegen, dass der Festivalleiter Patrick Wengenroth bekannte Schauspieler der Schaubühne, etwa Lars Eidinger, Mark Waschke oder Nina Hoss, dazu bringt, in Augsburg im Brechtfestival aufzutreten.
Weitzel: Da hat Herr Wengenroth Kontakte, ja. Aber zum Schluss entscheiden die Schauspieler selbst, ob sie etwas machen möchten oder nicht. Die große Mehrzahl der Schauspieler fragt sich, ob es sich lohnt, etwas für nur einen Abend in Augsburg zu erarbeiten, ein Programm, mit dem man am Ende vielleicht gar nicht auf Tournee gehen kann. Und wenn das nicht nur etwas schnell Gemachtes werden soll, sind wir beim Thema Eigenproduktion. Die sind mit zwei, drei Wochen Proben verbunden, dafür muss ein Schauspieler gegebenenfalls auf ein Engagement beim Film oder in seinem Stammhaus verzichten. Das macht die Sache nicht einfacher. In diesem Festival fiel auf, dass der Akzent stark auf den Gastspielen lag und es keine größeren eigenen Festivalbeiträge gab. Ist das nicht zu wenig für ein Festival, wenn es auch eine eigene Handschrift haben soll?
Weitzel: Da müssen wir vorsichtig sein. Wir sind nicht die Salzburger Festspiele und spielen nicht in dieser Größenordnung und Liga. Das würde mit unserem Budget nicht gehen. Im letzten Jahr war es eine erhebli-
che Anstrengung, Brechts „Maßnahme“selbst zu inszenieren. Das Festival verfügt nicht von Haus aus über einen eigenen Produktionsstab. Genau dafür haben wir in der Stadt ein eigenes Theater. Mit dem Etat, den wir für das Brechtfestival haben, werden autarke Eigenproduktionen jenseits des Stadttheaters auch künftig schwierig sein. Der Festivaltermin wurde von dem Zeitraum um Brechts Geburtstag nach hinten im Kalender verlegt. Grund war damals auch der Opernball des Theaters. Den gibt es nicht mehr. Wie schaut jetzt die Terminplanung aus?
Weitzel: Die Verlegung geschah aus mehreren organisatorischen Gründen, nicht nur wegen des Opernballs. Vom Marketing und der Werbung her ist der frühe Februartermin ungünstiger. Da bleiben nach den Weihnachtsferien nur vier Wochen Zeit. Als das Festival noch um Brechts Geburtstag herum stattfand, hat es an Besuchern ja nicht gefehlt. Weitzel: Jetzt mangelt es uns an Besuchern ja auch nicht. Und die rückläufigen Zahlen von über 10 000 Besuchern auf 6500?
Weitzel: Kann man erklären. Zum einen fehlt das Große Haus, dort hatten 1000 Besucher Platz, jetzt
sind es im Martinipark noch 600. Außerdem gibt es keinen Sondereffekt wie das Gastspiel mit „Element of Crime“in der Kongresshalle. Hinzu kommt, dass Patrick Wengenroth seinen Budgetrahmen einhält. Das war in den Jahren davor nicht der Fall. Wenn ich mehr Geld ausgebe, als zur Verfügung steht, kann ich mehr Veranstaltungen anbieten, zu denen mehr Besucher kommen. Also bleibt es bei dem Termin Ende Februar/Anfang März?
Weitzel: Wir sind gerade in der Terminabstimmung mit dem Theater, da in der Disposition nicht nur die Faschingsferien umgangen werden müssen, die stark variieren, sondern auch die Premieren- und Abo-Disposition einen Einfluss auf die Terminfindung hat. Aber mal ganz offen: Das Festival immer an Brechts Geburtstag zu veranstalten, ist reine Symbolpolitik, die aus meiner Sicht ins Leere läuft und das Interesse am Festival nicht steigern wird. Der Inhalt und die logistisch optimale Machbarkeit für die durchführenden Institutionen sollten im Vordergrund stehen. Wir feiern das Mozartfest auch nicht an Mozarts Geburtstag. Bislang sind wieder zehn Festivaltage über zwei Wochenenden eingeplant.
Wenn ein künftiger Festivalleiter Ihnen ein Konzept für ein fünftägiges Festival vorlegen würde?
Weitzel: Wäre ich zunächst offen, da hätte ich kein Problem. Andererseits wissen wir, dass das ein logistisches Problem und damit ein anderes Format nach sich zieht: Theatergastspiele werden dann schwieriger, weil dafür jeweils ein Tag Vorlauf nötig ist und wir weniger Gastspiele im Programm unterbekommen. Die Zuschauerzahlen wären dann ebenfalls schwer zu halten. Wie denken Sie überhaupt über die Einbindung der freien Szene in das Festival. Wie viel Freiraum haben künftige Festivalleiter dort?
Weitzel: Über die Einbindung der freien Szene kann man reden. Bislang war es für die freie Szene auch wichtig, beim Brechtfestival mitzumachen, weil sie sich darüber zusätzlich finanzieren konnten. Jetzt sind die Zuschüsse der Gruppen aufgestockt worden. Der Festivalleiter sollte aus meiner Sicht freie Hand haben und selbst urteilen, welche Angebote der freien Szene er in sein Festival integrieren möchte. Letztlich entscheiden die Stadträte darüber, welche Leitplanken dem nächsten Festivalleiter gesetzt werden. Wie gehen Sie bei der Suche nach einem neuen Leiter vor?
Weitzel: In den nächsten Wochen und Monaten führen wir Gespräche mit dem Theater, mit dem Intendanten und Dramaturgen. Wir wollen gemeinsam Vorschläge ausarbeiten, die wir dem Kulturausschuss vorlegen. Bis zum Sommer soll eine Entscheidung getroffen werden. Am Schluss noch eine Frage zum Anforderungsprofil des künftigen Festivalleiters: Muss das ein ausgewiesener Brecht-Experte sein oder ist ein ausgewiesener Festival-Fachmann geeigneter?
Weitzel: Ein Brecht-Kenner in die Tiefe muss er nicht sein. Mit Brecht kann jeder Künstler etwas anfangen. Wenn jemand es vor diesem Hintergrund versteht, ein sehr zeitgemäßes, auch Brecht-spiegelndes, auch gesellschaftspolitisch relevantes Programm zu machen und wenn er auch national und international Künstlerkontakte verspricht, könnte er oder sie infrage kommen. Ob der Akzent dann stärker auf das Theatrale oder das Literarische gelegt wird, wird man sehen.