Von Rollen, Turns und Loopings
Siegfried Ortner aus Ziemetshausen hat sich dem Kunstflug verschrieben. Trainieren, trainieren und noch mal trainieren, heißt es hier
Mit Siegfried Ortner hat der Mittelschwäbische Luftsportverein einen neuen Vorsitzenden, der dem Fliegen ganz und gar verfallen ist. Der Ziemetshauser Ortner ist bereits seit 38 Jahren Mitglied im Verein in Thannhausen, der Motor-, Segel- und Modellflieger vereint. Das Fliegen kennt viele Spielarten, und jede, erklärt Ortner, habe ihre eigene Faszination.
Er selbst hat sich vor 14 Jahren, mit 39, auf eine ganz spezielle Form des Fliegens konzentriert: Ortner ist Kunstflieger. „Mich erfreuen weniger die weiten Ausflüge, die man mit dem Motorflugzeug unternehmen kann. Sie haben auch ihre Reize, die Planung auf dem Boden ist eine eigene spannende Aufgabe, der Flug bietet bei gutem Wetter herrliche Ausblicke. Meine Liebe gehört der Herausforderung des Kunstfliegens. Das ist ein wenig wie Bergsteigen, verbunden mit viel Technik. Der Kunstflieger bleibt innerhalb eines festgelegten Luftraums und führt zwischen 5000 Fuß und 450 Metern die verschiedensten Figuren aus“, erzählt er.
Die Figuren heißen Rolle, Turn, Trudeln. Die berühmteste ist sicher der Looping, der auch in vielen Achterbahnen zu wilden Schreien und weit aufgerissenen Augen führt. Der Gedanke an die Achterbahn kann Ortner allerdings nur ein leises Lächeln auf die Lippen zaubern. „Wenn man sich die Druckverhältnisse vor Augen führt, die auf den Körper einwirken, stellt man fest, dass die Achterbahn vergleichsweise langweilig ist“, sagt er. Beim Kunstfliegen wirken Beschleunigungskräfte auf den Körper ein, die einen im kontrollierten Sturzflug mit bis zu 450 Kilogramm in den Sitz drücken oder im Rückenflug nach unten in die Gurte ziehen können. Druckverhältnisse können Schwindel auslösen. Es ist wichtig, seinen Körper ganz allmählich hinzuführen und fit zu halten“, führt Ortner weiter aus.
Mit vielen Flugstunden kann der Schwindel wegtrainiert und Kreislaufbeschwerden vorgebeugt werden. Solche Irritationen kennt Siegfried Ortner nicht. Um die herausfordernden Flugstile folgenlos zu überstehen, muss ein Kunstflugpilot jedoch Körper und Geist intensiv trainieren. Viele spektakulär anzusehende Figuren sind für Ortner beinahe Routine, denn sie sind die Voraussetzung für zahlreiche weitere Kunstflugfiguren. „Es gibt rund 30 verschiedene Figuren. In einer Kür, die etwa fünf Minuten dauert, werden bis zu 15 davon zusammengestellt. Doch bis es so weit ist, muss jede einzelne Figur perfekt beherrscht werden.“
heißt: trainieren, trainieren, trainieren. Monatelang muss eine Figur geübt werden, bis der Kunstflugpilot sie fast wie im Schlaf ausführen kann. Etwa eine Viertelstunde dauert eine Trainingseinheit, mehr ist kaum möglich, denn die Kunstflugübungen sind körperlich anstrengend und auch mental anspruchsvoll. Über die Gefährlichkeit seines Sports befragt, versichert Siegfried Ortner, dass in den letzten zehn Jahren lediglich ein Unfall in Süddeutschland passiert sei.
Eine schnelle Trainingseinheit mal so zwischendurch ist nicht drin. Auch, weil die Flüge angemeldet werden müssen. Schließlich ist der Luftraum kein vogelfreies Gebiet, in dem jeder tun und lassen kann, was er will. Die Kunstflieger steigen bis in eine Höhe von 5000 Fuß (rund 1500 Meter) auf, da muss sichergestellt sein, dass es zu keinen Kolli„Diese sionen mit anderen Flugobjekten kommen kann. Um den Kunstfliegern in Thannhausen eine bessere Trainingsmöglichkeit zu verschaffen, hat der Verein inzwischen eine sogenannte Kunstflugbox beantragt. Das ist ein klar definierter Luftraum, in dem die Flieger vom Verein unbehelligt fliegen dürfen.
Wer sich nicht für Training oder Kür von Flugkunststücken in die Kunstflugbox begeben will, sondern mit dem Motorflugzeug einen Ausflug plant, der muss sich erst einmal genau über die Karten beugen, in denen die unterschiedlichen Flugzonen verzeichnet sind. Ein Gutteil der Thannhauser Vereinsmitglieder gehört zu diesen Motorfliegern. Ein vereinseigenes Flugzeug macht das Fliegen für jeden erschwinglich. Mit 17 Jahren kann man eine Fliegerlizenz erwerben.
Der Luftraum ist eine klar strukDas turierte und durchorganisierte Einheit. Auch wenn Grenzen mit dem Auge nicht wahrnehmbar sind, gibt es sie in vielfältiger Weise. Es gibt Regionen, die mit einem absoluten Überflugverbot belegt sind, etwa das Gebiet des Gundremminger Kernkraftwerks. Dann gibt es Zonen, die einer Meldepflicht unterliegen, die Regionen sind großräumig um Flughäfen und Flugplätze jeglicher Art ausgewiesen. Auch Fallschirmspringerund militärische Zonen müssen berücksichtigt werden. Dann gibt es beschränkte Zonen, die nicht immer aktiv sind. Dazwischen gibt es freie Flugzonen. Erleichtert wird die Orientierung auch in kleinen Motorflugzeugen durch Navigationseinrichtungen, in denen nicht nur der momentane Standort registriert wird, sondern auch die Flughöhe.
Auch eine Art „Blackbox“gibt es. Das ist ein Transponder, der ab einer Flughöhe von 5000 Fuß (1524 Meter) eingeschaltet werden muss. Der Flieger erhält eine Codenummer für den Transponder. Darüber ist das Flugzeug auf den Radarschirmen der Flugüberwachung auszumachen und zu identifizieren. „Das ist vor allem eine Versicherung gegen Kollisionen. Aber auch bei einem Absturz kann ein Wrack über den Transponder geortet werden.“
Allerdings müsse man keine große Angst vor solchen Unglücksfällen haben. Denn, erklärt der Vorsitzende der Sportflieger, „es passiert immer nur etwas, wenn mehrere Probleme gleichzeitig auftreten, und keines davon behoben werden kann, und das ist äußerst selten“. In Thannhausen, so versichert er, hat es während seiner Zeit als Vereinsmitglied noch keinen derartigen Fall gegeben. Und der Verein sorge mit optimaler Flugzeugwartung und solider Ausbildung dafür, dass das auch so bleibe.