Nur fühlen und hören, nichts sehen
Die Nationalelf übt ungewöhnliche Trainingsformen. Dazu gehört auch das Zusammenspiel mit Blindenfußballern. Für Aufregung sorgt das Poster einer Schülerzeitung
Auch Oliver Bierhoff schreckte im Medienzelt auf. Eine Reporterfrage zu einem Poster mit 23 Spielern aus dem vorläufigen 27-Mann-Kader für die WM sorgte kurzzeitig für Aufregung in Südtirol. Aber die Verwirrung um die vier Streichkandidaten, die ein Poster auf der DFB-Homepage entfacht hatte, löste sich schnell in Nichts auf. Das Plakat mit 23 Fotos und Spielernamen in Gebärdenschrift, das von einer Schülerzeitung erstellt wurde, war schon längere Zeit online und basiert damit nicht auf den aktuellen Entwicklungen im Trainingslager in Südtirol. „Es ist kein Hinweis auf die finale Nominierung“, stellte Teammanager Bierhoff klar.
Zuvor hatte er auf die Frage, ob der Deutsche Fußball-Bund aus Versehen schon weit vor dem offiziellen Meldeschluss am kommenden Montag (12 Uhr) die 23 endgültigen WM-Fahrer veröffentlicht habe, bei der Pressekonferenz in noch heftig reagiert: „Das muss eine Panne sein. Das macht mich richtig sauer.“
Es war aber nicht mal eine Panne. Das Poster der Schülerzeitung „Mühlezeitung“der Schule Haslachmühle im baden-württembergischen Horgenzell war in Zusammenarbeit mit der „Aktion Mensch“, dem Deutschen FußballBund und dem Dachverband Deutscher DEAF Fanclubs e.V. (DDDF) entstanden. Bei der fiktiven Auswahl der Schüler fehlten Kevin Trapp, Jonathan Tah, Sebastian Rudy und Nils Petersen.
Das aktuell Brisante: Das Quartett zählt tatsächlich zu den gehandelten Kandidaten, die Bundestrainer Joachim Löw streichen könnte. Den Trainern stehe eine „schwere Aufgabe“bevor, betonte Bierhoff: „Alle Spieler haben einen tollen Eindruck hinterlassen.“
Der Mönchengladbacher Weltmeister Matthias Ginter spürt noch „keine große Nervosität“vor der fi- nalen Auswahl, die einen Tag nach dem angekündigten Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Eppan ansteht: „Alle sind relativ entspannt.“Er habe das letzte halbe Jahr und auch im Trainingscamp alles gegeben.
Zum Beginn der Trainingseinheit am Donnerstag gab es Beifall für Geburtstagskind Marco Reus, der 29 Jahre alt wurde. Später übten sich Ginter und Thomas Müller in einer ungewöhnlichen Form des Fußballsports. Zusammen mit zwei Spielern der Blindenfußball-Nationalmannschaft testeten sie mit schwarzen Brillen das Gefühl, blind zu kicken. „Ich habe nicht so viel auf die Reihe bekommen“, berichtete Ginter danach.
Angreifer Mario Gomez kehrte ins Teamtraining zurück. Der Stuttgarter wurde nach muskulären Problemen wie die anderen WM-Kadidaten von Löw taktisch geschult. Anlaufen, Rausschieben, Pressen, Passen wurden geübt. Für den BunEppan destrainer hat die heiße WM-Vorbereitungsphase begonnen.
Optimistische Zeichen gab es von Jérôme Boateng. Der Weltmeister absolvierte nach seiner Oberschenkelverletzung Ende April wieder einen Teil des Teamtrainings. Einige lockere Pässe mit den Mitspielern, dann setzte der Innenverteidiger sein Aufbauprogramm fort. Im Testspiel gegen die nicht für die WM qualifizierten Österreicher am Samstag (18 Uhr/ZDF) in Klagenfurt wird Boateng ebenso wie Toni Kroos aber noch fehlen. Champions-League-Sieger Kroos stößt erst nach dem Spiel zum Team. Nach einem ungewöhnlichen Praxistest im Team der U20-Junioren des DFB, in dem sich Neuer in 70 Minuten nur von Müller und Julian Draxler überwinden ließ, folgt nun im Wörthersee-Stadion gegen Österreich der ultimative Test. Danach muss Löw entscheiden, ob der mehrmalige Welttorhüter mit zum Turnier nach Russland geht.