Mann drei Tage verschleppt: Angeklagte gestehen
Ein Augsburger erlebt Horror-Tage: Er wird entführt und 56 Stunden lang gefangen gehalten. Am zweiten Prozesstag sagen die mutmaßlichen Täter aus. Eine Frage allerdings bleibt unbeantwortet
Die drei jungen Leute auf der Anklagebank des Landgerichts, zwei Männer und eine Frau, wirken nicht wie abgebrühte Kriminelle. Doch sie haben einen Augsburger Kaufmann entführt und 56 Stunden lang gefangen gehalten. Der Kaufmann war am 12. Februar 2017 frühmorgens in Öhringen unweit der Stadt Heilbronn überfallen, entführt und zuletzt in seiner Wohnung in Hochzoll gefangen gehalten worden. Dort befreite ihn die Polizei, von Nachbarn nachmittags alarmiert, die Hilferufe des schwer verletzten 56-Jährigen gehört hatten.
Der zweite Prozesstag am Donnerstag lieferte trotz Geständnissen aller drei Angeklagter keine Antwort auf die Frage, warum der Kaufmann entführt werden sollte. „Wir hatten keinen Plan“, behaupteten nahezu wortgleich alle drei Man habe in Panik gehandelt, nachdem, was zuvor vorgefallen war. Schwer verletzt hatten sie ihn in ihr Auto, einen gestohlenen Audi 8 geladen, davor aber schon sein Geld, 700 Euro, abgenommen. Ständig in Geldnot, war das Trio der Idee verfallen, Freier auszurauben. Nathalie H. hatte sich im Internet auf einer Plattform als Lockvogel angeboten. Die drei wollten den Männern das Geld abnehmen. Als sich der erste Freier meldete, so die 23-Jährige, „haben wir uns besprochen, was ich ihm antworten soll“. Doch jener Überfall scheiterte, weil der Freier, misstrauisch geworden, schnell die Autotüren verriegelte und davonfuhr.
Noch in der gleichen Nacht hatte sich auch der Augsburger Kaufmann auf die Kontaktanzeige gemeldet. Wie Nathalie H. aussagte, sei dieser bereit gewesen, zu ihr nach Öhringen zu kommen, um für 600 Euro mehrere intime Stunden mit ihr zu verbringen. Der Ort sexueller Handlung sollte eine Wohnung sein und nicht ein Auto, wie beim gescheiterten ersten Coup.
Als der 56-Jährige morgens gegen 6.30 Uhr im Industriegebiet aus seinem Auto stieg und auf das angegebene Wohnhaus zuging, überfielen ihn die Angeklagten, hielten ihn fest. Die Frau sprühte ihm Pfefferspray ins Gesicht. Doch der AugsAngeklagten. burger konnte sich losreißen. Seine Flucht endete, als Mike A., der in einem gestohlenen Auto saß, Gas gab, ihn überfuhr. Wie es in der Anklage heißt, wurde der 56-Jährige frontal erfasst und auf die Motorhaube geschleudert. Schwerverletzt blieb er am Boden liegen. „Ein Versehen“, hatte der Fahrer am ersten Prozesstag behauptet. Wie nun der Mitangeklagte Kevin S. die Situation schilderte, könnte der Fahrer auch in voller Absicht auf den Mann zugefahren sein, um dessen Flucht zu verhindern.
Die Täter hatten bei dem Überfall eine Schreckschusspistole, Elektroschocker und Reizgas sowie eine Eisenstange mit dabei. Die Waffen hatten sie einige Wochen vorher in Hamburg oder in Hannover gekauft. So genau wisse er das nicht mehr, sagte Kevin S. aus. Was möglicherweise am damaligen Drogenkonsum lag. „Wir haben alle vier Stunden auf einem Handy eine Linie gezogen“, erklärte Nathalie H. Und wozu der Waffenkauf? „Als Souvenir“, antwortete die 23-Jährige allen Ernstes. Ihr Verteidiger schritt daraufhin ein, und erklärte, seine Mandantin werde bis auf Weiteres keine Fragen mehr beantworten.
Besondere Spannung verspricht im Prozess die Aussage des entführten Augsburger Kaufmanns. Er ist für Mitte Juli als Zeuge geladen.