Wirbelwind von links
Der 22-jährige Tempo-Stürmer war von den Schweden nicht in den Griff zu bekommen
Sotschi Oft ist es gut, Sachen mit etwas Abstand zu betrachten. Auch ein Fußballspiel lässt sich aus einer anderen Perspektive besser analysieren, als der des direkt Beteiligten. Mats Hummels wurde in diese Rolle von seinem Halswirbel gezwungen. Den hatte er sich verrenkt und durfte deswegen nicht gegen Schweden mitwirken.
Zwar hatte er bei Mannschaftsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt inständig darum gebeten, der allerdings versagte ihm die Spielerlaubnis. Von außen nun musste er mit ansehen, wie seine Mannschaft immer und immer wieder gegen den schwedischen Verteidigungswall anrannte.
Dabei war die Lösung ganz einfach: „Ich hatte immer das Gefühl, dass Timo auf der linken Seite jeden ausspielen kann.“Besagter Timo Werner konnte das tatsächlich und letztlich waren es auch und vor allem seine Antritte, die den Deutschen ihre Hoffnung auf das Achtelfinale erhielt. So entsprang der Ausgleich durch Marco Reus einem Dribbling Werners samt folgender Vorlage. Das Siegtor folgte jenem Freistoß, den der Leipziger herausgeholt hatte.
Werner war der auffälligste Akteur einer beweglichen Offensive. Verlor er sich in der ersten Halbzeit ab und an noch in den Wirbeleien seiner Nebenleute Thomas Müller, Julian Draxler und Reus, so fand er sich nach der Pause auf der linken Seite bestens zurecht.
Dem für Draxler eingewechselten Mario Gomez war die Aufgabe zugefallen, die schwedischen Innenverteidiger auch körperlich herauszufordern. Werner wiederum tat einiges gegen den ihn verfolgenden
Ruf des Leichtgewichts. Nach harten Checks rappelte er sich schnell wieder auf und suchte das Testosteron-Duell Brust an Brust mit einigen Schweden. Die bärtigen Skandinavier waren erstaunt ob des forschen Auftretens des 22-Jährigen. Dieser hatte aber schlicht keine Lust, sein erstes WM-Turnier schon nach dem zweiten Spiel enden zu lassen. So war er logischerweise recht glücklich über Kroos’ späten Kunstschuss: „Mir sind auf dem Platz fast die Tränen gekommen beim 2:1, weil es einfach so geil war. Wir haben es uns einfach verdient, weil wir ein super Spiel gemacht haben.“
Erreicht aber hat die Mannschaft noch nichts. Das Achtelfinale ist noch 90 Minuten entfernt. Werner allerdings ist optimistisch, dass der späte Siegtreffer gegen Schweden mehr Wert war als nur zwei zusätzliche Punkte. „Das muss der Wendepunkt gewesen sein. Wenn wir die Steilvorlage nicht annehmen und damit durch das Turnier reiten, hätte das ganze Spiel nichts gebracht.“