Mütter spenden ihre Milch
Am Augsburger Josefinum wurde die erste Frauenmilchbank in Schwaben eröffnet. Julia Fertl ist die erste Spenderin. Mit ihrer Milch kann sie Frühgeborenen das Leben retten
Anton und Leopold sollten am 13. Juli auf die Welt kommen. Doch sie werden zwei Monate früher geboren, mit weniger als 1500 Gramm. Mama Julia Fertl weiß, wie sich die Angst anfühlt, die eigenen Kinder zu verlieren. Und sie weiß, dass die Überlebenschance eines Frühchens steigt, wenn es Muttermilch bekommt. Deshalb hat sie gespendet – für die erste Frauenmilchbank in Schwaben.
Das Augsburger Josefinum ist auf Frühchen und kranke Neugeborene spezialisiert. Mit der Milchbank kann gespendete Frauenmilch jetzt so verarbeitet werden, dass sie frühgeborenen Babys helfen kann. Auf den ersten Blick wirkt die Frauenmilchbank wenig spektakulär. In einem Raum stehen ein Schockfroster und ein Gefriergerät.
Außerdem gibt es zwei Geräte zum Pasteurisieren der Milch sowie einen Computer, der alle Daten erfasst. 30 000 Euro kostet die Basisausstattung. Die laufenden Kosten liegen jährlich im fünfstelligen Bereich. Finanziert wird das Ganze vom Josefinum selbst und Spendengeldern. Die Krankenkassen über- nehmen die Leistung nicht. Das Prinzip der Frauenmilchbank ist einfach: Mütter, die genug Milch haben, helfen zu früh geborenen oder kritisch kranken Babys dabei, groß und stark zu werden. Gerade Neugeborene, die unter 1500 Gramm wiegen, sollen von dem neuen Service der Klinik profitieren.
Dass Muttermilch das Beste für das Kind ist, daran zweifelt längst niemand mehr. Gerade für die Entwicklung von Frühgeborenen gilt Muttermilch als die beste Ernährung. Dabei sei es egal, ob die Milch von der eigenen oder einer anderen Mama stammt, sagt Dr. Thomas Völkl, Chefarzt der Klinik für Kinder und Jugendliche am Josefinum. „Ideal sind allerdings Spenderinnen einer vergleichbaren Schwangerschaftswoche.“Denn wie sich die Muttermilch zusammensetze, hänge von der Entwicklungsstufe des Kindes ab. Ziel ist es darum in erster Linie, Mütter, die noch in der Klinik sind, für eine Spende zu gewinnen. Eine Frau komme, so Völkl, allerdings nur dann als Spenderin infrage, wenn sie genug Milch für ihr eigenes Baby hat.
Noch ist Fertl die einzige Spende- rin. Aber schon jetzt würden sich weitere Frauen melden, die bereit sind, ihre Milch zu spenden, sagt der Chefarzt. „Einen Engpass oder Mangel erwarten wir nicht.“Dafür sei die Solidarität zwischen Müttern viel zu groß.
Bei vielen Frauen kommt es anfangs zu Problemen beim Stillen. Ein früher Geburtstermin kann das begünstigen. Hinzu komme der Druck von außen, sagt Julia Fertl. Die Angst, dass der Milcheinschuss nicht rechtzeitig kommt, sei bei vielen Frauen präsent und führe dazu, dass das Stillen erst recht nicht funktioniere. „Je mehr man sich unter Druck setzt, umso schwieriger wird es.“
Für die 29-Jährige war klar, dass sie helfen würde. Keine Sekunde, sagt sie, habe sie überlegt. „Als Mutter von Frühchen hat man schon genug Sorgen.“Für ihre Zwillinge Anton und Leopold hat sie ausreichend Milch. Rund 300 Milliliter kann sie dem Josefinum oft täglich zur Verfügung stellen. Einmal am Tag pumpt sie ihre Muttermilch ab. Drei Monate ist die Milch ab dem Zeitpunkt haltbar.
Vom Ablauf ähnelt das Prozedere dem einer Blutspende. Die Frau muss vorab einige Fragen beantworten und die gespendete Muttermilch wird anschließend getestet, um die Übertragung von Infektionskrankheiten auszuschließen.
Bekommt ein Frühchen Muttermilch, steigen die Überlebenschancen. Die Lebensqualität und Gesundheit der Babys wird verbessert. Wissenschaftliche Untersuchungen haben laut Chefarzt Völkl außerdem gezeigt, dass Darmerkrankungen durch die Ernährung mit Muttermilch verhindert werden können. Denn entzündet sich der Darm bei einem Frühchen so sehr, dass er sich löst, stirbt das Kind.
Die Eltern betroffener Babys müssen für die Spende nichts bezahlen. Auch für die Spenderinnen gibt es keine finanzielle Entschädigung. Geld wäre auch für keine der Frauen eine Motivation, sagt Völkl. Mütter helfen Müttern, weil sie wüssten, wie wichtig Muttermilch für die Entwicklung eines Babys sei.
Muttermilch senkt das Risiko einer Darmerkrankung