Deutsch unterrichtet und Polnisch gelernt
Wie Studentin Carolin Steinke extralange Wörter und sprachliche Fettnäpfchen in den Griff bekam
„Dziekuje!“, sage ich und betrete das Lehrerzimmer. Die Lehrer sehen mich amüsiert an und gehen ihrer Arbeit weiter nach. Diese etwas merkwürdige Reaktion vonseiten der neuen Kollegen ereignet sich jeden Tag aufs Neue. So langsam fange ich an, an der polnischen Höflichkeit zu zweifeln.
Wer Polnisch spricht, wird sicher schon schmunzeln. Für mich dauerte es aber eine Weile, bis ich realisierte, dass ich das neue Kollegium jeden Morgen mit „Danke“begrüßt hatte. Etwas peinlich berührt, dass ich tatsächlich tagelang „Danke“und „Guten Tag“verwechselt hatte, notierte ich mir die Floskeln in Lautschrift auf die Hand. Umso erfreuter waren die polnischen Lehrkräfte als ich sie endlich richtig begrüßte: „Dzien dobry!“.
Ich studiere Realschullehramt im fünften Semester für Englisch und Geschichte an der Uni Augsburg. Das beschriebene Szenario spielte sich in meiner Anfangszeit an einer Warschauer Schule ab, an der ich im Rahmen des Schulwärts!-Programms ein Praktikum absolvierte. Betreut wurde ich dabei vom Goethe-Institut Warschau. Zehn Wochen lebte ich in einer fremden Stadt, mit fremden Mitbewohnern und Kollegen, die teilweise weder Englisch noch Deutsch verstanden. Warum ausgerechnet Polen? Die Antwort liegt in der Vergangenheit: Als Enkelin eines pommerschen Geflüchteten war es schon immer ein Wunsch, unser Nachbarland Polen nicht nur als Touristin kennen zu lernen. Eintauchen in eine bisher fremde Kultur, Land und Leute kennenlernen und dabei Erfahrung für den späteren Beruf sammeln – Wie funktioniert so etwas besser als bei einem zehnwöchigen Praktikum an einer polnischen Schule?
Vor Beginn des Praktikums lud die Zentrale des Goethe-Instituts in München zu einem dreitägigen Seminar ein, in dem wir auf den Auslandsaufenthalt vorbereitet wurden und Tipps für die Wohnungssuche im Zielland erhielten. Durch soziale Medien gestaltete sich diese einfacher als gedacht und so zog ich im Oktober 2017 in eine internationale Wohngemeinschaft mit einer Chinesin, einer Ukrainerin und einer Polin ein. In dieser internationalen Gruppe offenbarten sich gelegentlich kleinere und größere Kulturunterschiede. Trotzdem würde ich immer wieder dort einziehen und auf keinen Fall alleine wohnen.
Das Bussystem in Warschau ist eine Klasse für sich: Haltestellen teilen sich auf vier bis sechs kleinere Haltestellen im Umkreis von 700 Metern auf und unterscheiden sich für deutsche Ohren kaum im Namen. Die erste Fahrt zur Schule gestaltete sich recht abenteuerlich. Die betreuende Deutschlehrerin an der Schule hieß mich trotz kleiner Verspätung herzlich willkommen. Das anfänglich merkwürdige Gefühl, „die Fremde“zu sein, ließ bald nach und ich konnte mich gut integrieren. Schnell durfte ich eigene Deutschstunden übernehmen und sammelte auf diesem Weg wichtige Praxiserfahrung. Sich an einen Arbeitsalltag zu gewöhnen und Verantwortung zu übernehmen – das kannte ich von meinen bisherigen Praktika in Deutschland nicht.
Nie vergessen werde ich die Vorweihnachtszeit, die in der Schule in allen Stunden und Projekten thematisiert wurde. Wir übten deutsche Weihnachtslieder und Gedichte, buken und luden die Eltern zum Weihnachtsfest ein. Die Unterrichtsstunde „Weihnachten in Deutschland“hielt ich in acht verschiedenen Klassen und es war sehr interessant, die teilweise großen Kulturunterschiede zwischen zwei Nachbarländern festzustellen. So isst man zum Beispiel in Polen am Heiligen Abend zwölf traditionelle Gerichte ohne Fleisch, während bei uns der Weihnachtsbraten nicht wegzudenken wäre.
Nach dem Praktikum kehrte ich schweren Herzens nach Deutschland
Das Busnetz in Warschau hat es in sich
zurück. Leider hat das Schulwärts!-Programm Augsburger Lehramtsstudierende nur unzureichend erreicht, und so bin ich bisher die Einzige, die über dieses Projekt ins Ausland gegangen ist. Ich würde das Praktikum jederzeit wieder machen.
Es macht sich gut im Lebenslauf und hilft bei der Entwicklung der eigenen Persönlichkeit. Ein Auslandspraktikum kann so viel mehr sein als nur ein Häkchen im Curriculum!