Wer kommt ins Achtelfinale, wer scheidet aus?
In den Gruppen E und F ist vor dem dritten Spiel alles möglich. Brasilien und die Schweiz liefern sich ein Fernduell
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Wäre alles nach Plan gegangen, hätte es das wütende Gesicht von Janne Andersson nach dem bitteren 1:2 gegen Deutschland nie gegeben. Schwedens Nationalspieler wären auch nicht in Jekaterinburg, um dort das entscheidende Gruppenspiel gegen Mexiko zu spielen, sondern im Urlaub. Denn die nächste Endrunde, so dachte man sich das nach der Fußball-EM 2016 und den Rücktritten von Zlatan Ibrahimovic, Torwart Andreas Isaksson und Kim Källström, wäre die EM 2020 – bis dahin sollte Andersson als neuer Trainer in Ruhe eine neue Mannschaft aufbauen und formen.
Aber dann: Play-offs, Italien, WM-Teilnahme. Die erste seit 2006. Die Reise nach Russland ist vor allem ein Verdienst Anderssons. Aus einer Truppe, in der sich alle um Zlatan Ibrahimovic versammelten, zu oft aber auch hinter ihm versteckten, machte der Mann mit dem fotografischen Gedächtnis ein starkes Kollektiv. Nach den Erzählungen war eine der ersten Fragen des 55-Jährigen: „Was für ein Team wollen wir sein?“Die Antwort: ein echtes, richtiges Team. Ein schwedisches.
Ein Mann, der Schwedens Nationaltrainer erklären kann, ist Scout Tom Prahl: „Er entscheidet nicht alleine. Er hört auf Leute und schafft Harmonie im Team.“Nur so habe Andersson im Jahr vor seinem Wechsel zur Nationalelf mit IFK Norrköping überraschend die Meisterschaft holen können. Auch eine Solidaritätsaktion wie die nach den rassistischen Beleidigungen von Jimmy Durmaz, der Timo Werner in der Nachspielzeit gefoult und den Freistoß verursacht hatte, den Toni Kroos zum Siegtreffer ins Netz jagte, sei keine Verordnung von Andersson. Das komme aus der Mannschaft, weil Andersson das Klima dafür schaffe.
„Er ist ein sehr guter Trainer und ein sehr guter Mensch. Er mischt sein Wissen als Trainer mit dem Wissen, dass er als Mensch hat. Das ist seine Stärke“, sagt Stürmer Ola Toivonen. Dass er gegen Deutschland überhaupt auf dem Platz stand und das 1:0 erzielen konnte, liegt an Andersson. „Er hat mich zur Nationalmannschaft zurückgeholt und mir Selbstvertrauen geschenkt.“Defensiv lassen die Schweden kaum etwas zu, das bekamen in der WMQualifikation schon die Niederlande und Frankreich zu spüren. In den Play-offs scheiterte schließlich das große Italien am Versuch, ein Tor zu erzielen gegen die nimmermüden Skandinavier um ihren Kapitän Andreas Granqvist. Wenn Toivonen und Marcus Berg und Emil Forsberg von RB Leipzig es nun gemeinsam schaffen, gegen Mexiko auch offensiv gefährlicher zu werden und zu treffen – dann funktioniert Anderssons Plan weiter. Nur eben nicht der von vor zwei Jahren nach der EM. ●
Philippe Coutinho wird niemals wie Neymar sein. Aufmerksamkeit mag der zweitteuerste Spieler der Welt nicht. Die großen Dinge macht der Brasilianer auf dem Fußballplatz. Bei der WM in Russland ist der 1,72 Meter kleine Mittelfeldstratege der Hauptdarsteller der Seleção. Die großen Schlagzeilen liefert bisher aber trotzdem Neymar. Coutinho kommt das entgegen.
Während Neymar durch Theatralik und Egozentrik auffällt, dirigiert Coutinho im Schatten des Megastars das Spiel des Rekord-Weltmeisters. Der 26-Jährige spielt die entscheidenden Pässe und schießt wichtige Tore. Auch im dritten Gruppenspiel gegen Serbien wird es auf seine Fähigkeiten ankommen. Nach den beiden Partien gegen die Schweiz (1:1) und Costa Rica (2:0) wurde der WM-Doppeltorschütze zum „Spieler des Spiels“gewählt. Gefallen hat ihm das nicht, weil er dann für kurze Zeit im Fokus stand. Und weil er sich den Fragen der Journalisten stellen musste. „Ich fühle mich auf dem Platz viel wohler als hier“, sagte er bei einer Pressekonferenz. „Ich mag es nicht, über mich zu reden.“
Dass er schon als Kind gar nicht gern im Fokus stand, zeigt eine Geschichte seines Bruders Cristiano. Der erzählte, dass der junge Philippe früher keine Tore schießen wollte. Vorlagen hätten ihm viel besser gefallen. Sein Vater habe ihm dann ein Taschengeld versprochen, wenn er ein Tor schießt. Irgendwann wurde es dann besser. Gegen Serbien reicht Brasilien ein Remis, um das Achtelfinale zu erreichen. Nach bisher mäßigen Auftritten will die Seleção ihre Stärke zeigen. Sollte Coutinho erneut seine Topform abrufen, wird er für die Serben kaum zu stoppen sein.
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Nach dem Wirbel um den umstrittenen Torjubel von Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka soll bei den Schweizern wieder das Sportliche im Vordergrund stehen. Die Eidgenossen wollen unbedingt ins Achtelfinale, wozu schon ein Punkt reicht. Im Sturm könnte Mario Gavranovic den Vorzug vor Haris Seferovic erhalten. Ansonsten setzt Trainer Petkovic auf seine eingespielte Mannschaft.
Bei der WM 2014 kam Costa Rica überraschend ins Viertelfinale. Nun wollen sich die schon ausgeschiedenen Ticos nach zwei Niederlagen wenigstens „mit Würde verabschieden“. Das kündigte der 34-jährige Johnny Acosta an, für den es wohl die letzte WM wird. Aber: In den vergangenen vier WM-Spielen gegen europäische Teams konnte Costa Rica nicht gewinnen.