Wo die Menschen am meisten Wohnraum haben
Die Wohnungsgrößen im Kreis weisen ein deutliches Stadt-Land-Gefälle auf
Höchstens 120 Quadratmeter für eine vierköpfige Familie? Diese Grenze für das Baukindergeld, die inzwischen wieder vom Tisch ist, sorgte auch im Landkreis Augsburg bei vielen Menschen für Diskussionen. Der Kern der Debatte: Sind 120 Quadratmeter für eine Familie genug?
Geht es nach den Lebensgewohnheiten vieler Deutscher, dann sind sie knapp bemessen. 138 Quadratmeter beträgt die durchschnittliche Wohnfläche für eine vierköpfige Familie in Deutschland – im Augsburger Land dürfte dieser Wert noch höher liegen. Anhaltspunkte dafür liefert die Sozialraumanalyse des Landkreises Augsburg. In dieser Datensammlung enthalten ist auch die durchschnittliche Wohnfläche je Einwohner im drittgrößten bayerischen Landkreis sowie jede einzelne Gemeinde.
Wir haben das Zahlenwerk zu
verarbeitet. Aus ihr geht hervor, dass die mittlere Fläche je Einwohner im Landkreis bei 47 Quadratmeter liegt. In rund einem Drittel der Kommunen stehen den Menschen sogar mehr als 50 Quadratmeter zur Verfügung. Mit Ausnahme von Neusäß liegen diese Orte auf dem Land, wo die Grundstücke günstiger und die Häuser größer sind.
Am wenigsten Wohnraum steht den Menschen in Gersthofen zur Verfügung, wo es traditionell viele Mehrfamilienhäuser gibt. Aber auch in der Ballonstadt wird die imaginäre 120-Quadratmeter-Grenze für vier Personen deutlich überschritten, wie die Zahlen zeigen.
Dementsprechend verlief bis zum Dienstag die Diskussion auf der Facebook-Seite unserer Zeitung. Viele, die von den in der Nacht zum Mittwoch kassierten Begrenzungsplänen betroffen gewesen wären, ärgerten sich. Sie hielten es für unverschämt, dass die Politik die Förderung an Bedingungen knüpfe. Sie fragten sich: Welche Familie mit zwei Kindern baue im Augsburger Land ein Haus mit 120 Quadratmetern? Die Vorstellung sei doch lebensfremd. Wie solle so ein Haus für vier Personen überhaupt aussehen? Wie ein Schlumpfhaus?
Gerhard Failer, Vertriebsleiter beim Bauunternehmen Dumberger aus Königsbrunn, hält die Begrenzung auf 120 Quadratmeter zwar für machbar, im Augsburger Land aber für nicht realistisch: „Im Landkreis sind eher Größen von 135 bis 150 Quadratmeter für eine vierköpfige Familie üblich.“
Das Bauunternehmen vertreibt unter anderem Immobilien in Langweid. Häuser mit 120 Quadratmetern hat die Firma gar nicht im Angebot. „Unsere Klientel braucht viele Zimmer. Das ist mit 120 Quadratmeter nicht möglich.“Die typischen Kunden von Gerhard Failer haben zwei bis drei Kinder und arbeiten viel von zu Hause aus. „Sie brauchen mindestens zwei Kinderund ein Arbeitszimmer. Sie können nicht einfach die Fläche runterschrauben.“
Bernhard Uhl, Bürgermeister von Zusmarshausen, hätte der Idee für eine Begrenzung durchaus etwas abgewinnen können: „Man unterstützt so die Leute, die sich sowieso nur etwas Kleines leisten können.“24000 Euro bei zwei Kindern seien zwar immer eine Menge Geld. „Aber bei vielen Leuten macht das das Kraut auch nicht mehr fett.“
Die Statistik der Baugenehmigungen zeigt, dass im Landkreis immer noch überwiegend Ein- und Zweifamilienhäuser entstehen. Zwischen Januar und Oktober 2017 wurden 1229 Wohnungen in 695 neuen Wohngebäuden genehmigt, unter denen 624 Ein- und Zweifamilienhäuser sind. Und zumindest für die Einfamilienhäuser gelte, dass sie in der Regel deutlich mehr haben als 120 Quadratmeter Wohnfläche, hieß es gestern auf Anfrage unserer Zeitung aus der Bauverwaltung des Landratsamtes. Schwieriger sei es, die Wohnungsgrößen bei Zweifamilienhäusern abzuschätzen. Bleibt noch das beliebte Reihenhaus: Dort sind laut Landratsamt durchaus Wohnungsgrößen bis 120 Quadratmeter realistisch.
Sind 120 Quadratmeter für eine vierköpfige Familie also doch genug? Sie müssen zumindest reichen, wenn die Menschen auf Sozialhilfe angewiesen sind. In den Richtwerten für Unterkunftskosten, die im Landkreis gelten, sind auch Orientierungsgrößen für Wohnungen enthalten. Für vier Personen gelten danach 76 bis 90 Quadratmeter als angemessen.