Patron der Aussteiger und Diätberater
Kirche I Beim evangelisch-lutherischen Festgottesdienst bittet Pfarrer Sperber das Geburtstagskind Johannes um Hilfe. Wie ein Kirchweihsonntag zu einem Musikfest für alle Generationen wird
Mit der Musik von Händel, Bach und Mozart gestaltete der Posaunenchor und das pcOrchester unter Leitung von Sandra Möhring einen Festgottesdienst am Tag des Heiligen Johannes des Täufers – dem Namensgeber der Gemeinde – in der evangelischen Kirche St. Johannes. Am Ende gab es dafür kräftigen Applaus, auch für die einfühlsamen Gesangssoli von Chris Munger und Martin Schönborn, der als Organist und für seinen Part als Hornist im Orchester zwischen Altarraum und Empore hinund hereilte. Der Kirchweihsonntag wird bereits zum fünften Mal in der evangelischen Gemeinde auch als Musik-Sonntag gestaltet, bei dem für alle Generationen etwas geboten wird und der mit dem Singen von Abendliedern rund ums Johannesfeuer endet.
Dieses Jahr konnten die beteiligten Musiker auch auf 85 Jahre Posaunenchor zurückblicken. Im Gottesdienst selbst, an welchem auch der katholische Pfarrer Bernd Leumann teilnahm, stand Johannes der Täufer natürlich auch in der Predigt von Pfarrer Ernst Sperber im Mittelpunkt. Dieser hatte an das „Geburtstagskind“Johannes einen Brief mit manchem Wunsch formuliert, den er der Gemeinde vortrug. Darin sprach er zunächst den „Patron der Aussteiger“an, da dieser ja selbst einst in der Wüste predigend, schlicht und bescheiden gelebt und auf das Kommen des Messias gewartet habe.
Johannes, so Sperber, möge für diese sorgen, denn es sei wichtig und gut, dass mit den kritischen Denkern und Umkehrern ein Stück weit auch Selbstgerechtigkeit Auszug halte in den Kirchen. Des Weiteren sprach er ihn als den „Patron aller Diätberater“an. Johannes, von dem es das Wort in der Bibel gibt „Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen“, was sich auf Jesus Christus beziehe, den er immer wieder als den eigentlichen Retter der Menschheit ankündigte und wogegen er sich als Prophet zurückzuziehen habe. Sperber bat ihn also „Schicke uns viele Diätberater für schlanke, profilierte Christen“, die sich von Äußerlichem trennen können und das Wesentliche betrachten, die die eigene Bequemlichkeit und Unbeweglichkeit aufgeben.
Zum Schluss sprach er den „Patron der Straßenbahnen“an. Er, der Jesus von Nazareth den Weg bahnte, möge auch heut die Zufahrtsstraßen des Gebets der Stille, der Musik, des Gesangs, der Seniorenkreise und Kitas bahnen in Richtung auf den Herrn. Aufmerksame Ohren, Schmunzeln über die Terminologie sowie Erstaunen für die eher nicht typisch protestantische Würdigung von Johannes dem Täufer als Patron gab es seitens der Gläubigen später im Gespräch.
Das Wetter hatte bis zum Abend gehalten und so waren etwa 160 Menschen zum evangelischen Gemeindezentrum zur Sommerweihnacht gekommen. Als Sommerweihnacht wird der Johannitag (24. Juni), der ja genau sechs Monate vor dem Heiligen Abend im Dezember festgesetzt ist und die Jahreswende darstellt, auch benannt. Die evangelische Gemeinde hatte an dem Tag zu einem bunten Programm für die Kinder am Nachmittag sowie dem Kurzkonzert des Posaunenchores und des pcOrchesters, zum späteren Anzünden des Johannesfeuers und zuvor zum Singen eingeladen.
Unter Anleitung von Bärbel Berndorfer und in Begleitung des im Kreise aufgestellten Posaunenchores wurden die typischen alten Abendlieder oder auch Volkslieder gesungen, wie unter anderem „Der Mond ist aufgegangen“oder „Kein schöner Land“. Auffallend, dass sich keineswegs nur engagierte Gemeindemitglieder zusammengefunden hatten.
Pfarrer Leumann war extra nach der eigenen Abendmesse nochmals zurückgekommen und befand die Atmosphäre „als sehr gemütlich, beschaulich“. Andere hatten einen syrischen Mitbürger mitgebracht um ihn am typisch deutschen Kulturgut teilhaben zu lassen oder nahmen die Gute-Nacht-Lieder via Handy, um es dem kranken Vater in der Klinik zuzusenden. Bei einem Glas Bier oder Wein saßen Jung und Alt beieinander. Geduldig wurde von den Musikern, nachdem das vorgesehene Liedprogramm beendet war, auch manch zusätzlicher Sonderwunsch aufgenommen.
Eine ruhige friedliche wie auch fröhliche Gemeinschaft saß unter den Lindenbäumen, sodass das Lied „Am Brunnen vor den Toren“wirklich passte. Bei einbrechender Dunkelheit wurde dann auch das Holz zum traditionellen Johannesfeuer angezündet.