Was noch fehlt, ist der Aha-Effekt
Augsburg soll für Radfahrer attraktiver werden. Die Stadt hat sich ihr Ziel hoch gesteckt, dort angekommen ist sie noch nicht. Jetzt setzt sie auch auf Spaß – eine gute Idee
vor allem die eingefleischten Fahrradfans gewünscht haben. Aber auch die Wirkung in die Breite – bei den Menschen, die man für das Rad begeistern will – hat darunter gelitten. Jetzt nimmt die Stadt einen etwas anderen Anlauf.
Ab Samstag geht es nicht vorwiegend um die Breite von Radspuren, um unsichere Kreuzungen und fehlende Abstellmöglichkeiten. Die Radlwoche rückt den Spaß und das Erlebnis in den Mittelpunkt. Radlkino, eine Radstrecke am Kö, gemeinsame Radtouren – das mag normal klingen. Doch das ist das Ziel: Das Fahrrad soll zum normalen Verkehrsmittel in der Stadt werden, das die Umwelt schont und Freude macht. Mit der Fahrradnacht ist das schon zweimal gelungen. Die dritte folgt im Herbst. Aber schon jetzt bindet das Programm „Eine Woche Rad ab!“auch die große und lebendige Fahrradszene der Stadt ein. Aus ihr ist regelmäßig auch viel Kritik zu hören. Das ist sicher manchmal schwierig auszuhalten, aber unter dem Strich muss sich die Stadt darüber freuen. In den Vereinen, Klubs oder auch privaten Initiativen und Internetblogs lebt die Leidenschaft fürs Fahrrad. Ganz zwangsläufig werden dort klare und umfangreiche Forderungen erhoben. Man kann sich genervt wegdrehen oder die Anregungen aufnehmen. Die Stadt hat sich offenbar für Variante zwei entschieden. Zur Radwoche gehört auch eine Fahrt zu sogenannten Blackspots – Stellen, die für Radfah- rer unangenehm, gefährlich oder schlicht auch nur unkomfortabel sind.
Gerade der letzte Punkt ist nicht zu unterschätzen. Wer sich für ein Verkehrsmittel entscheidet, will schnell ans Ziel kommen, sicher und vor allem auch komfortabel. Wenn ich aber nicht genau weiß, dass ich einfach, flott und unkompliziert mit dem Rad von A nach B komme, nehme ich die Alternative. Man darf nicht so tun, als ob sich in Augsburg in dieser Hinsicht nichts getan hätte. Der Radweg in der Grottenau ist fertig geworden, an der Neuburger Straße in Lechhausen gibt es einen Radstreifen, der Königsplatz ist autofrei. Man könnte noch viele Projekte aufzählen – und gleichzeitig viele, die noch fehlen.
Als das schicke Radl Fahrradstadt an den Start ging, trug es auch noch das Anhängsel 2020. Das klang nach Tempo, Geschwindigkeit und schürte Erwartungen. Sie waren – das lässt sich schon heute sagen – nicht so schnell zu erfüllen. Mal fehlte Geld, mal fehlte politischer Wille. Es lassen sich in der Stadt viele Fortschritte erkennen. Was oft fehlt, ist die Verknüpfung. Gelungene Teilstücke wechseln sich mit schlechten ab. Was auch fehlt, ist der Aha-Effekt: Holla, hier kann ich ja ganz toll Rad fahren. Vielleicht kann das ja mit der Fahrradstraße in Pfersee gelingen. Im zweiten Anlauf ist jetzt sogar Vorfahrt für die Radler denkbar. Und trotz aller berechtigter Kritik wirkt es so, also ob es die Stadt ernst meint mit einer Verkehrspolitik, die die Vormacht des Autos beendet.
Nicht zuletzt unter dem Eindruck der teilweise (zu) hohen Schadstoffwerte im Zentrum läuft seinen Jahren ein Schwenk hin zu öffentlichen Verkehrsmitteln (Beispiel: Königsplatz) und zum Fahrrad. Man kann sich alles schneller wünschen, doch die Entwicklung ist eindeutig. Auch die Vorstellung des Programms zur Radlwoche gab darauf einen Hinweis. Sie war Chefsache, Oberbürgermeister Kurt Gribl selbst stellte das Programm vor. Muss man nicht überbewerten, in den Tagen nach dem turbulenten AfD-Parteitags-Wochenende und mitten im CDUCSU-Streit hätte er das aber nicht zwingend selbst machen müssen.
Hat er aber. Und damit gezeigt, das Rad ist uns wichtig. Außerdem sagt es auch etwas über den Zustand des schicken Radls namens Fahrradstadt. Würde sich ein Politiker wirklich daraufsetzen – zwei Jahre vor der Kommunalwahl –, wenn es nicht gut in Schuss wäre?