Sie lässt Männer verzweifeln
Anna Krebs hütet für die Mannschaft des TV Augsburg das Tor. Eher zufällig kommt die 17-Jährige zum Skaterhockey, inzwischen zählt sie darin zu Bayerns Besten
Wenn Anna Krebs daran denkt, wie sie zum Skaterhockey gekommen ist, muss sie lachen. Am Strand in Italien wird die Augsburgerin von einem Norweger beobachtet, der zu diesem Zeitpunkt Schweizer Leichtathleten trainiert. Der Trainer sieht, wie geschmeidig sich die damals Achtjährige bewegt. Dass ihre koordinativen Fähigkeiten ausgeprägter sind als bei anderen Kindern in ihrem Alter. Zu Krebs’ Eltern sagt der Fremde daher: „Ihre Tochter sollte Leistungssport machen, sie hat Talent.“
Wenig später fängt Anna Krebs in der Schülermannschaft der Skaterhockeyabteilung des TV Augsburg an. Für sie und ihre Eltern liegt das nahe, schließlich bewegt sich Krebs auf Rollen, seit sie drei Jahre alt ist, in der Laufschule des Vereins hat sie erste Schritte gemacht.
Anna betreibt allgemein viel Sport, Hauptsache Bewegung, doch im Skaterhockey will sie sich mit anderen messen. Und sucht sich eine Position, die nicht jeder bevorzugt: Sie stellt sich ins Tor. „Ich wollte das unbedingt ausprobieren“, sagt Krebs. „Anfangs hast du echt Respekt vor dem Ball. Irgendwann weißt du aber, wo er hinfliegt.“Das Außergewöhnliche: Krebs spielt von Anfang an mit Jungs, weil es keine Mädchenmannschaften gibt.
Acht Jahre ist das nun her. Die junge Frau sitzt in einem Café im Augsburger Bismarckviertel. Wirkt entspannt. Vor kurzem hat sie ihren Realschulabschluss gemacht, erst in rund zweineinhalb Monaten beginnt für sie der Unterricht an der Fachoberschule in Friedberg. Sie interessiert sich für Medizin und Gesundheit. Als Kind wollte sie Ärztin werden, erzählt Krebs, inzwischen sind Physiotherapeutin oder Krankenschwester ihre favorisierten Berufe.
Vielleicht hätte sich die junge Frau bei ihrem Bewegungstalent eine andere Sportart suchen sollen. Vielleicht Tennis oder Golf. Skaterhockey hingegen wird immer reines Freizeitvergnügen bleiben. Auch wenn TVA-Teams in Deutschlands höchsten Ligen vertreten sind und Augsburger mit der Nationalmannschaft Titel gesammelt haben, Geld lässt sich damit nicht verdienen. Für ihre rund 2500 Euro teure Ausrüstung kommt Krebs selbst auf.
Dass die 17-Jährige unter besonderer Beobachtung steht, hat mit ihrem Geschlecht zu tun. Warum also lässt sich eine junge Frau von Männern mit einem harten Kunststoffball beschießen? Krebs muss nicht lange überlegen, ihr geht es um den Spaß, vor allem aber auch um den Nervenkitzel. Andere mag Druck hemmen, Krebs hingegen sieht darin eine besondere Herausforderung. Sie betont: „Wenn du weißt, du bist die letzte Person, von der alles abhängt – das reizt mich. Ich bin dann voller Adrenalin.“
Keinerlei Berührungsängste bestehen zwischen der jungen Frau und ihren männlichen Mitspielern. Krebs zieht sich in einer eigenen Kabine um, darüber hinaus erfährt sie keine Sonderbehandlung. Dem Konkurrenzkampf mit den anderen Torhütern im Juniorenteam, mit Philipp Matheis und Daniel Sieber, stellt sie sich. Trainer Alexander Giersig spricht von einem „Luxusproblem“, alle drei Torhüter seien sehr talentiert, fügt er hinzu.
In der Theorie dürfte Krebs im Feld mitspielen, Sinn macht das allerdings nur bedingt. Gegenüber den männlichen Mitspielern wäre sie körperlich unterlegen. Im Tor hingegen spielt das keine Rolle, erklärt Giersig. Er attestiert seiner Torhüterin eine „außergewöhnlich gute Torhütertechnik“, in jüngster Zeit habe sie „extreme Fortschritte“gemacht. Die Begründung dafür liefert Giersig gleich mit: „Sie hat so viel aufgeholt, weil sie sehr motiviert und fleißig ist.“
Krebs verbringt etliche Stunden in der Woche beim Skaterhockey. Sie übt und spielt mit den Junioren und der zweiten Mannschaft, kaum eine Torwarteinheit lässt sie aus. Zudem gibt sie als Co-Trainerin ihr Wissen an die U13-Schülermannschaft weiter. Auch in deren Team spielen Mädchen, für die Krebs eine Art Vorbild ist.
Ihr Talent mit Fanghandschuh und Schläger ist nicht verborgen geblieben. Vor zwei Monaten stand die Augsburgerin für die U19-Bayern-Auswahl bei einem Ländervergleich in Donaustauf im Tor. Nun hofft sie auf weitere Einladungen und träumt davon, einmal in die deutsche Nationalmannschaft berufen zu werden.
Ob ihr das gelingt? Krebs wird zumindest hart dafür arbeiten.