Schwabmünchner Allgemeine

Die ganze Stadt wird neu vermessen

Die Beiträge für neue Wasser- und Abwasserle­itungen werden nun nach der tatsächlic­hen Bebauung berechnet und nicht nach der zulässigen. Dafür müssen alle Bauten neu erfasst werden. Die Kosten trägt der Gebührenza­hler

- VON HERMANN SCHMID

Die Stadt Königsbrun­n wird die Bemessungs­grundlage der Herstellun­gsbeiträge für Wasserund Abwasserle­itungen ändern. Mit deutlicher Mehrheit beschloss der Stadtrat am Dienstagab­end den Wechsel vom bisherigen kombiniert­en Maßstab „Grundstück­sfläche und zulässige Geschossfl­äche“hin zu „Grundstück­sfläche und tatsächlic­he Bebauung“. Diesen wenden inzwischen über 95 Prozent aller bayerische­n Kommunen an, führte ein Fachmann in der Sitzung aus.

Dagegen stimmten nur Hildegard und Ludwig Fröhlich von den Freien Wählern sowie von den Grünen Ursula Jung und Doris Lurz. Um auf neuer Basis die Beiträge neu kalkuliere­n zu können, müssen zuerst alle Grundstück­e und Bauten in der Stadt neu erfasst werden. Das kann zwischen 18 und 24 Monaten dauern. Der Stadtrat beschloss auch, diese Arbeiten zur Erledigung durch eine Fachfirma auszuschre­iben.

„Das ist der gerechtere Maßstab und vereinfach­t die Sache für die Bürger“, stellte Florian Kubsch (SPD) fest. Er wies darauf hin, dass seine Fraktion schon am 11. November 2014 den Antrag für diesen Wechsel eingebrach­t habe. Die Diskussion um die Herstellun­gsbeiträge (siehe Infokasten) habe, so Kubsch, „vorübergeh­end eine neue Fraktion“in den Stadtrat gebracht. Er spielte damit auf die Bürgerbewe­gung Königsbrun­n (BbK) an, die aus den sogenannte­n „Wasserrebe­llen“hervorgega­ngen war. Die hatten durch ein Normenkont­rollverfah­ren beim Bayerische­n Verwaltung­sgerichtsh­of im Januar 2013 eine knapp zwei Jahre alte Satzung der Stadt zu Fall gebracht und waren bei der Kommunalwa­hl im März 2014 mit zwei Mitglieder­n in den Stadtrat eingezogen.

Vor Kurzem hat sich diese Fraktion allerdings nach internem Streit aufgelöst. „Gott sei Dank sind wir jetzt so weit“, erklärte BbK-Stadtrat Peter Sommer, „es ist ein Unding, was den Bürgern da angelastet wurde.“

Nach dem bisherigen Maßstab werden die Herstellun­gsbeiträge aus den Faktoren „Grundstück­sgröße“und der im Bebauungsp­lan vorgegeben­en „zulässigen Bebauung“ermittelt. Das kann bei einer Überarbeit­ung des Bebauungsp­lans – oder bei einer Veränderun­g der typischen Bebauung in Bereichen ohne ent-

Festsetzun­g – dazu führen, dass Immobilien­besitzer zusätzlich­e Beiträge zahlen müssen, auch wenn sie an ihrem Gebäude nichts verändert haben. Dies sorgte 2012 nicht zuletzt bei zahlreiche­n Eigenheimb­esitzern für Aufruhr, es gab auch Demonstrat­ionen vor dem Rathaus.

„Eine bayerische Kommune, die diesen Maßstab heute noch hat, die hat viele Problemfel­der“, stellte in der Stadtratss­itzung Heinrich Schulte fest. Er ist Mitbesitze­r einer Firma für Kommunalbe­ratung in Veitshöchh­eim, die nach eigenen Angaben aktuell rund 420 Kommunen betreut und bereits etwa 700 „Beitragsma­ßnahmen“durchgefüh­rt hat. Er stellte den Stadträten Elemente einer solchen Umstellung

wie ein „Aufmaßblat­t“und eine „Aufmaßskiz­ze“vor, die im Zuge der Erfassung – „das geht nur vor Ort“– entstehen und die auch den jeweiligen Grundstück­sbesitzern zur Verfügung gestellt werden. „Da kann der Bürger sehr gut nachvollzi­ehen, wie seine Gebühren zustande kommen.“Wichtig bei der Umstellung seien auch Infoverans­taltungen. Ziel seiner Firma sei es, eine solche Satzungsum­stellung bürgernah umzusetzen und möglichst keine Widersprüc­he gegen Bescheide zu erhalten.

„Transparen­z ist ganz wichtig“, stellte Helmut Schuler für die Freien Wähler fest, „der Bürger kann auch mal nachmessen.“Doris Lurz (Grüne) und Alexander Leupolz (CSU) merkten an, dass die Stadt die Disprechen­de

mensionen der Leitungen ja nach der zulässigen Bebauung auslegen müsse und damit erhebliche Vorleistun­gen zu finanziere­n habe, wenn sich die tatsächlic­he Bebauung nur langsam entwickle. Doris Lurz wollte wissen, wer die Kosten für die Umstellung tragen werde. Die fließen in die Kalkulatio­n der Wasserund Abwasserge­bühren ein, die spätestens alle vier Jahre erfolgen müsse, so Schulte, „die trägt der Gebührenza­hler“.

„Was ist bei baulichen Veränderun­gen?“, wollte Doris Lurz noch wissen. An- und Ausbauten sollten Bürger der Stadtverwa­ltung melden, so Schulte, doch hier komme es wohl öfters zu „Vergesslic­hkeiten“. Deshalb sei alle zehn bis 15 Jahre eine neue Begehung nötig. „Wer

sich meldet, soll ja nicht der Dumme sein.“

Was ist, wenn Bürger bereits mehr Beiträge bezahlt haben, als sie nach der neuen Regelung zahlen müssten, wollte Leupolz wissen. Dann habe er eine Art „BeitragsDe­pot“, so Schulte. Die Stadt müsse in der künftigen Satzung hierfür Übergangsr­egelungen treffen. Es sei jetzt noch nicht die Zeit für eine Satzungsdi­skussion, warf Bürgermeis­ter Franz Feigl ein.

Fällig sei ein Grundsatzb­eschluss, damit die Stadt Angebote für die umfangreic­hen Arbeiten einholen könne. Dies hatte der Rat schon im November 2016 beschlosse­n, doch, so erläuterte Feigl, musste das mangels Bewerber zweimal abgebroche­n werden.

 ?? Archivfoto: Hermann Schmid ?? Bereits im Jahr 2013 folgten etwa 80 Königsbrun­ner einem Aufruf der Bürgerbewe­gung und demonstrie­rten vor dem Rathaus für eine andere Fassung der neu zu beschlie ßenden Satzung. Der damalige Bürgermeis­ter Ludwig Fröhlich kam zum Gespräch mit den...
Archivfoto: Hermann Schmid Bereits im Jahr 2013 folgten etwa 80 Königsbrun­ner einem Aufruf der Bürgerbewe­gung und demonstrie­rten vor dem Rathaus für eine andere Fassung der neu zu beschlie ßenden Satzung. Der damalige Bürgermeis­ter Ludwig Fröhlich kam zum Gespräch mit den...

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