Eine freizügige Pilotin und ein Abort Skandal
Als Stadt an Lech und Wertach hat Augsburg eine besondere Verbindung zum Wasser. Viele Erfolge sind damit verbunden, die 2019 in der Anerkennung als Welterbe-Stätte gipfeln sollen. Es gibt aber auch Kurioses zu erzählen
Die Römer hatten ein Händchen für geografische Lagen. Augsburg gründeten sie am Zusammenfluss von Lech und Wertach – das Wasser spielte von Anfang an eine besondere Rolle für die Entwicklung der Stadt: Die Versorgung der Bürger mit Brauch- und Trinkwasser wurde durch zahlreiche Kanäle gewährleistet, der Hochablass ist seit über 750 Jahren wichtiger Bestandteil der hiesigen Wasserkraftnutzung und mit den Prachtbrunnen zeigten die Einwohner auch, welchen Stellenwert dieses Element hat.
Die jahrhundertelange Nutzung des Wassers und das Zusammenspiel von Kunst und Technik heben Augsburg unter anderen Städten hervor. Dies wird in der Bewerbung um den Titel Welterbe dargestellt, Experten rechnen ihr große Chancen aus. Abseits der Zahlen und Fakten gibt es aber auch viele kuriose Geschichten rund ums Wasser. Hier sind einige davon:
Badeverbot für die Fliegerin
Kunstfliegerin Elly Beinhorn wurde in den 1930er Jahren unter anderem durch ihre Weltumrundung im Alleinflug berühmt. Dass sie in Augsburg wegen einer vollkommen anderen Geschichte von sich reden machen würde, hatte sie aber nicht gedacht. Was war passiert? Elly Beinhorn war wegen eines Vortrags nach Augsburg gekommen und nutzte die Chance für einen Besuch des gerade erst renovierten Familienbads. Doch sie hatte die Rechnung ohne die Badefrau gemacht: Die verwehrte der berühmten Pilotin den Zutritt. Sie trage, so die Begründung, zu knappe Badebekleidung. Tatsächlich legten seit 1932 der sogenannte „Zwickelerlass“und die Badepolizeiverordnung fest, wie Frauen in öffentlichen Bädern zu erscheinen hatten: Der Badeanzug sollte „Brust und Leib an der Vorderseite des Körpers vollständig“bedecken, der Rückenausschnitt durfte nicht „über das untere Ende der Schulterblätter“hinausgehen. Der Badeanzug musste darüber hinaus angeschnittene Beine und einen Zwickel haben. Beinhorns Bekleidung erfüllte diese Voraussetzungen offenbar nicht. Baden durfte sie am Ende zwar doch, aber in Augsburg sorgte der Fall noch lange für Gelächter.
Whiskey statt Chlor
Die Amerikaner brachten der Stadt nicht nur den Frieden, sie brachten ihr auch neue Regeln: Ab November 1946 musste das Trinkwasser aus Augsburgs Wasserwerken auf Anweisung der Besatzungsbehörden gechlort werden, um es von Keimen zu befreien. Einige Jahre später entstand sogar eine zentrale Station zur Trinkwasserchlorung. Im Februar 1956 griffen die Bürger das umstrittene Thema im Faschingsumzug (ja, den gab es damals noch) auf: Sie forderten, das Trinkwasser künftig mit Whiskey statt mit Chlor zu desinfizieren. Geändert wurde freilich auch danach nichts am Vorgehen; erst 1963 wurde die Beigabe von Chlor abgeschafft. Sie ist heute nur noch in Notfällen üblich.
Die gestohlenen Wasserhähne
Diebe kommen manchmal auf seltsame Ideen. Im 18. Jahrhundert hatten sie es auf Wasserhähne aus Messing abgesehen, die im Boden unter Holzabdeckungen angebracht waren. Dank dieser Wasserhähne konnten die Augsburger Brunnenleute Wartungsarbeiten am Rohrleitungssystem durchführen, ohne jedes Mal den Straßenbelag entfernen zu müssen. Nur: Die höl- zernen Deckel konnte auch jeder andere hochheben. Und weil Messing wertvoll war, kamen immer wieder Messinghähne abhanden. Der Augsburger Rat verfasste deshalb ein „Dekret gegen den Diebstahl von Wasserhähnen“. Die Bürger forderte er darin klar auf, etwaige Diebe zu denunzieren. Bei der Bestrafung ließ man manchmal jedoch Milde walten: 1713 wurde der 32-jährige Johann Weissing des Diebstahls von fünf Messinghähnen überführt. Weil der arbeitslose Straßenbauarbeiter mit dem Verkaufserlös „nur“Nahrung für seine Familie gekauft hatte, entging er der harten Strafe eines Messing-Diebes.
Augsburg und das Feuerspritzlein
Für wertvolle SilberschmiedeArbeiten ist Augsburg hinlänglich bekannt. Dass hier aber auch die Entwicklung von Feuerspritzen eine lange Tradition hat, wissen schon viel weniger Menschen. Die Finger hatten auch hier Silber- und Gold- schmiede im Spiel: 1518 entwickelte der Augsburger Goldschmied Anton Plattner die erste Wenderohrspritze. Ab dem 17. Jahrhundert gab es dann eine Reihe von Innovationen, die dafür sorgte, dass sich die Feuerlöschgeräte immer mehr verbreiteten. Das Stadtarchiv Augsburg ist im Besitz eines Kupferstichs aus dem Jahr 1730. Es zeigt drei Männer mit einer sogenannten „kleinen Feuerspritze“, die es damals auch in einer tragbaren Version (das Feuerspritzlein) gab. Sie konnte von zwei Personen transportiert werden und so bei einem Löscheinsatz zum Bei- spiel innerhalb eines Hauses hinund hergetragen werden.
Das Klo über dem Kanal
Die Trennung von Nutz- und Brauchwasser war in der Stadt schon sehr früh ein Thema. Das heißt aber nicht, dass alles immer sauber zuging. Noch bis ins 20. Jahrhundert hinein wurden in Augsburg Abwässer aus Ställen und Toiletten direkt in die Kanäle eingeleitet. 1910 leiteten laut Stadtarchiv noch 67 Aborte direkt in den Vorderen Lech, 20 in den Mittleren Lech 43 in den Stadtbach und 40 in den Sparren- und Schwalllech ein. Ausgerechnet ein Hochwasser sorgte 1910 an den Stadtkanälen für einen
niedrigen Wasserstand, da die Wassermassen des Lechs nicht mehr gezielt kanalisiert werden konnten. Die Innenstadt stank buchstäblich zum Himmel. Als erste Stadt führte Augsburg 1868 den Abtransport von Fäkalien über Tonnen ein; nach dem verheerenden Hochwasser mussten alle Haushalte ihre Entsorgung darauf umstellen.
Mit dem Floß nach Wien
Lech, Wertach und Lechkanäle wurden in Augsburg von Anfang an zum Transport von Baumaterialien und zur Versorgung der Bürger mit Handelsgütern genutzt. Doch man konnte auf dem Wasser auch reisen. 1840 unternahm der pensionierte Lehrer Adam Biertrinker, 69, aus Lechhausen eine eineinhalbmonatige „Fernreise“nach Wien. An der Lechhauser Floßlände bestieg er das Floß, er fuhr über Neuburg, Ingolstadt, Regensburg und Linz bis zur Anlegestelle des Klosters Melk. Die tägliche Fahrzeit betrug acht Stunden, immer wenn Flöße zusammengelegt oder umgeladen werden mussten, hatten die Reisenden Zeit für Landausflüge oder zur Einkehr in „allerlei vortreffliche Gasthäuser“, wie Biertrinker in einem Reisetagebuch notiert hat, das im Stadtarchiv noch immer existiert.
Die lästigen Nacktbader
Nacktbaden war im frühen Mittelalter gang und gäbe. Beliebt fürs freizügige Schwimmen in Augsburg war die Gabelung von Schwalllech und Mittlerem Lech vor dem Kloster St. Ursula. Hierher kamen nicht nur Frauen zum Wäschewaschen, sondern auch nackte Badende – und jede Menge Schaulustiger. Irgendwann aber wurde den Anwohnern das Treiben zu bunt. Als nackte Knaben an Sonn- und Feiertagen mitten während der Messe im Kloster auftauchten, hatten es auch die Dominikanerinnen des Klosters St. Ursula satt. Sie beschwerten sich und der Augsburger Rat reagierte prompt: Per Dekret erlaubte er das Nacktbaden fortan nur noch nachts – „in den Lechkanälen ohne Aufsehen, anstößiges Verhalten und längeren Aufenthalt“. Ein Spektakel fand sein Ende.