Die Sevenichs nehmen Abschied
Der Sänger und die Chorleiterin ziehen aus familiären Gründen in den Westerwald. Dass sie der Stadt so lange treu geblieben sind, liegt an ihrer bürgerlichen Ader – und an der evangelischen Gemeinde St. Thomas
Wer im Duden nach Synonymen für das Wort „bürgerlich“sucht, stößt nicht nur auf Schmeichelhaftes: „Angepasst“, „etabliert“oder „ordentlich“mag ja noch angehen. Aber „spießig“und „kleinkariert“? Die Sänger Edda und Stefan Sevenich haben damit kein Problem, im Gegenteil: „Dafür, dass wir beide in künstlerischen Berufen sind, haben wir das Gutbürgerliche gut durchgezogen“, sagen sie mit einem gewissen Stolz.
Die Eheleute, die anders als viele Künstler kein Geheimnis um ihr Alter machen (beide sind 52), meinen damit vor allem ihre Standorttreue. Seit 13 Jahren leben sie in Augsburg, genauer gesagt im Stadtteil Kriegshaber, um ihren Söhnen Schulwechsel und Abschiede zu ersparen. Jetzt, nachdem die beiden Jungs erwachsen sind, steht für die gebürtigen Rheinländer ein neuer Lebensabschnitt an: Die Sevenichs ziehen in den Westerwald, wo gerade Eddas Elternhaus erweitert wird, damit sie mit ihrer Mutter unter einem Dach leben können. Die pragmatische Entscheidung ist nach reiflicher Überlegung gefallen: „Wir haben hier Miete bezahlt und besitzen dort Eigentum“, sagt die Ehefrau. Auch für Stefan Sevenich ist es künftig einfacher, Aufenthalte zuhause mit einem Besuch bei seinen Eltern zu verbinden.
Der Bassbariton wird auch die nächsten Jahre den Spagat zwischen bürgerlicher Sesshaftigkeit und berufsbedingtem Vagabundendasein meistern müssen. Denn seit seinem Engagement am Theater Augsburg von 2003 bis 2007 pendelt er von Kriegshaber aus zu seinen Arbeitsplätzen: Zunächst ans Gärtnerplatztheater nach München und dann drei Jahre lang nach Berlin, wo er dem Ensemble der Komischen Oper angehörte. Mit seiner Entscheidung, als freier Sänger zu arbeiten, erhöhte sich in jüngster Vergangenheit die Anzahl der Städte und Bühnen erheblich.
Dass die Sevenichs von ihrem Leben im Garten der evangelischen Kirche St. Thomas erzählen, hat seinen Grund: Hier in der Gemeinde in Kriegshaber haben sie und ihre Kinder Freunde gefunden. Wann immer Stefan Sevenich Zeit hatte, verstärkte er mit seinem Bassbariton den Chor „Chaplains“. Nicht nur, weil es der bodenständige Künstler genoss, einmal „ohne berufliche Ambitionen musizieren zu können“. Sondern auch, weil er so sein Familienleben pflegen konnte.
Seit 2006 leitete Edda Sevenich den Kirchenchor, der mit einem erweiterten Repertoire längst über Augsburg hinaus beachtet wird. Die Mezzosopranistin sieht ihre Berufung im Unterrichten. „Ich habe gemerkt, dass ich zwar eine gute Sängerin, aber eine noch bessere Pädagogin bin“, sagt sie. Gerade die Arbeit mit Laien gebe ihr, die auch als Dozentin am Leopold-Mozart-Zentrum tätig war, unheimlich viel. „Da wird mir bewusst, warum ich Musik studiert habe.“
Die Chorleitung sowie die Gastaufträge als Sängerin und Dozentin konnte Edda Sevenich mit ihrem Familienleben gut vereinbaren. Dass sie im Gegensatz zu ihrem Mann auf eine Karriere auf der Bühne verzichtet hat, bedauert sie nicht. Wir sind ein gutes Team, jeder ist aber auch eine eigene Persönlichkeit mit gewissen Freiräumen.“Und wie sich beim Gespräch zeigt, sind beide temperamentvoll und extrovertiert. „Wir können aber auch beide mal die Klappe halten.“
Obwohl sie die „Chaplains“und den Kinderchor bei ihrer Nachfolgerin Roswitha Klar in guten Händen weiß, wird Edda Sevenich ihre Sänger und St. Thomas „schmerzlich vermissen“. Zukunftsangst hat die Frau mit den aparten rötlichen Haaren aber nicht. Sie wolle erst einmal im Westerwald ankommen und dann schauen, was sich beruflich ergibt. „Wenn sich nichts findet, dann werde ich was erfinden.“
Für Besuche in Augsburg wird die 52-Jährige auf jeden Fall Lücken im Terminkalender lassen. Das liegt nicht nur an den „Chaplains“, sondern auch an Stefan Sevenich. Nach längerer Abstinenz vom Theater hat er in der kommenden Spielzeit einen Gastvertrag. Ab April steht der Bassbariton als „Don Pasquale“in Donizettis gleichnamiger Oper auf der Bühne im Martinipark. Eine Rolle, auf die er sich sehr freut. Wie praktisch, dass die Söhne in Augsburg bleiben und den Eltern in ihrer Wohngemeinschaft Schlafplätze anbieten können.