Angestaubte Technik
Die Leistungen von David Storl stagnieren, doch es reicht noch zu Bronze
Es war ein verheißungsvoller Auftakt, als die Kugelstoßer am Montagabend im Schatten der Gedächtniskirche ihre Qualifikation bestritten. David Storl benötigte dort nur einen Versuch, um die geforderte Weite für das Finale zu liefern. Am liebsten, sagte er danach, hätte er auch dieses auf dem Breitscheidplatz mitten in Berlin absolviert. Stattdessen aber fand der Endkampf im Olympiastadion statt und es war, als hätte Storl geahnt, dass dieses Pflaster ihm nicht so gut liegen würde. Dreimal in Folge hatte der 28-Jährige vor Berlin den Europameistertitel gewonnen. Gestern holte er Bronze hinter den beiden Polen Konrad Bukowiecki und dem neuen Europameister Michael Haratyk.
Als Storl um 20.40 Uhr erstmals sein 7,257 Kilo schweres Arbeitsgerät zur Hand nahm, hatte sich die Sonne gerade erst aus dem Oberrang des Olympiastadions verabschiedet. Auch spät am Abend herrschten noch Temperaturen jenseits der 30 Grad in dem weiten Rund, das die Wärme wie eine gigantische Wanne aus aufgeheiztem Stein umschloss. Für die schnellkräftigen Kolosse ist das kein Hinderniss, ganz im Gegenteil. Ähnlich wie den Kollegen aus der Abteilung Sprint ist ihnen Wärme deutlich lieber als Kälte.
Von Beginn an entspann sich ein Dreikampf zwischen Storl und dem polnischen Duo Bukowiecki/Haratyk. Letzterer hatte als Einziger der Konkurrenz in dieser Saison schon über 22 Meter gestoßen. Er wurde seiner Favoritenrolle gerecht. Storl, der als einer der letzten Athleten von Weltklasseformat noch mit der angestaubten Angleittechnik arbeitet, genoss die Stimmung im mittlerweile halb vollen Stadion sichtlich, animierte die Zuschauer immer wieder zum Klatschen. Sie konnten ihn allerdings nicht zum Sieg peitschen. Es bleibt dabei: Storl stagniert. Knieprobleme und ein Leistungstief hatten ihn gar zu einem Trainerwechsel veranlasst. Ein Vorgang, der in der Leichtathletik deutlich seltener ist als im Fußball. Vergleichbar ist dagegen, dass die personelle Veränderung nicht zwangsläufig eine Leistungssteigerung nach sich zieht.
Besser läuft es für seine Kollegin an der Kugel. Christina Schwanitz geht heute Abend als Top-Favoritin ins Finale der Frauen. Die junge Mutter von Zwillingen will ihren dritten EM-Titel in Folge. Daran konnte auch ein Autounfall nichts ändern, den sie einen Tag nach dem Sieg bei den deutschen Meisterschaften auf dem Weg ins Aktuelle Sportstudio baute. „Ich hatte alle Schutzengel an Bord, die da gerade unterwegs waren“, sagte Schwanitz. Prellungen, blaue Flecken und ein Schleudertrauma zog sie sich zu. Am gravierendsten seien Probleme mit dem Gleichgewicht gewesen. „Als ich nach dem Unfall zum ersten Mal in den Ring gegangen bin, bin ich erst einmal umgefallen.“Inzwischen kann sie ihren Arbeitsplatz wieder unfallfrei verlassen. Die Qualifikation in Berlin meisterte sie locker. Und auch den Alltag mit den Zwillingen, der Bub und das Mädchen sind inzwischen etwas über ein Jahr alt, hat Schwanitz perfekt um ihren Sport herum organisiert. Die beiden „Krümel“, wie ihre Mutter sie nennt (die Namen verrät sie nicht), werden heute Abend mit Vater Tomas Palfner-Schwanitz im Stadion sein.
Addiert sie heute zu ihren bisherigen zwei EM-Titeln einen dritten in Folge, wäre das ein Novum. Und es müsste schon mit dem Teufel zugehen, sollte das nicht klappen. In dieser Saison stieß nur eine Konkurrentin weiter als Schwanitz. Gut, dass die Dame Lijao Gong heißt und im fernen China lebt.