Die Tragik hinter der Tragödie
Nach dem Tod eines 14-Jährigen an einem Bahnübergang in Schrobenhausen geht die Polizei von Leichtsinn aus. Warum der Unfall für einen Lokführer besonders schlimm ist
Schrobenhausen Es war wohl tatsächlich Leichtsinn, der einem 14-Jährigen vergangene Woche an einem Bahnübergang in Schrobenhausen das Leben gekostet hat. Zu diesem Schluss kommt jedenfalls die Polizei, nachdem sie in den vergangenen Tagen insgesamt sechs Zeugen befragt hat – darunter der Zwillingsbruder des Opfers und der 13-jährige Freund, die beide mit ansehen mussten, wie der 14-Jährige von einem Zug erfasst wurde.
Wie berichtet, war das Trio am Mittwochnachmittag auf dem Weg ins Schrobenhausener Freibad und musste an einem beschrankten Bahnübergang warten. Plötzlich scherte das spätere Opfer mit seinem Rad auf einen Trampelpfad aus, umging vorhandene Absperrgitter sowie die Schranke und fuhr auf die Gleise. „Es war wohl so, dass er dachte, er würde es noch vor dem nahenden Zug schaffen“, sagt HansJürgen Bartl von der Polizei. Der Bahnübergang sei bekannt dafür, dass die Schranken relativ lange geschlossen seien, wenn sich ein Zug Vielleicht habe das dazu geführt, dass der 14-Jährige ungeduldig geworden sei. Er wurde an diesem Montag beerdigt.
Neben den beiden anderen Jungen und zwei Autofahrern, die ebenfalls am Bahnübergang warten mussten und den Unfall beobachteten, wurden auch zwei Lokführer von der Polizei befragt. Bei einem von beiden handelte es sich nach Auskunft der Bahn um einen Mann, der erst vor wenigen Monaten ein traumatisches Erlebnis in seinem Beruf erleiden musste. Anfang Mai krachte in Aichach ein Personenauf einen Güterzug, zwei Menschen starben, 14 wurden verletzt. Damals war der Lokführer als Ersthelfer vor Ort. Bei dem Unfall in Schrobenhausen saß er im Zug – es war eine seiner ersten Fahrten, die er nach längerer Krankheitszeit als Wiedere ing liederungs maßnahme absolvierte .„ Er ist in psychischer Behandlung “, erklärte in Sprecher der Bayerischen Regiobahn. Mehr wolle er zu Person und Schicksal des Mannes nicht sagen.
In Schrobenhausen reagierte die Stadtverwaltung prompt auf das Unglück und sperrte den Trampelpfad, der an der Schranke vorbei auf die Gleise führt, mit einem provisorischen Gitter ab. „Herzlichen Dank – leider zu spät“stand auf einem Stück Papier, das Unbekannte dort angebracht hatten. Es wurde wenig später entfernt. Blumen und Kerzen von Trauernden als Erinnerung an den 14-Jährigen liegen noch immer unter dem Andreaskreuz.
Die Deutsche Bahn reagierte – neben Äußerungen des Bedauerns – trocken auf die Forderung nach weiteren Zäunen entlang ihrer Gleise. „Ein Zaun, der mitunter gefordert wird, müsste bei der Länge des Schienennetzes zweimal um den Äquator reichen“, soll eine Sprecherin des Unternehmens dem Donaukurier gesagt haben. Gleichzeitig wird in der Stadt darüber diskutiert, wie schnell der Zug unterwegs war – schließlich geschah der Unfall nicht einmal 400 Meter vom Bahnhof entfernt. Polizeisprenähert. cher Bartl erklärt, dass der Zug „deutlich langsamer als erlaubt“fuhr, als das Unglück passierte. Ein Sprecher der Bayerischen Regiobahn sagte am Mittwoch auf Nachfrage unserer Zeitung, dass der Zug aus Ingolstadt an dem Bahnübergang „unter 100“gefahren sei – erlaubt sind an dieser Stelle 120 Stundenkilometer. Auf die Frage, ob diese Geschwindigkeit für eine Strecke mitten durch einen Ort angemessen sei, erklärte er: „Wenn die Züge überall nur 60 fahren würden, kämen wir ja gar nicht mehr an.“
Für die Schrobenhausener Polizei sind die Ermittlungen in dem Fall weitestgehend abgeschlossen. Aus ihrer Sicht habe es keine Hinweise auf ein Fehlverhalten der Lokführer gegeben, die strafrechtlich zu verfolgen wären, sagt Hauptkommissar Bartl. Nun habe die Staatsanwaltschaft das letzte Wort, sie muss entscheiden, ob der Fall zu den Akten gelegt wird. Und im Rathaus arbeite man weiter an einer Lösung für das Trampelpfad-Problem am Bahnübergang an der Neuburger Straße, erklärte Bürgermeister Karlheinz Stephan.
Wie schnell darf eigentlich ein Zug in der Stadt fahren?