Mathe Genie bringt Raumsonden auf den Weg
Wie Professor Edward Belbruno eine Mission im All rettete. Der Wissenschaftler forscht jetzt in Augsburg
„Ein kurzer kreativer Moment“, sagt Professor Belbruno, „und dann beschäftigt einen die Lösung manchmal jahrelang.“So beschreibt er Ursprung, Gemeinsamkeit und Unterschiede des kreativen Prozesses in der Mathematik – verglichen mit seiner Kunst. „Als Künstler hingegen muss man für eine lange Zeit in diesem kreativen Zustand verbleiben.“Edward Belbruno ist Mathematiker, Astrophysiker – und Maler. Vor Kurzem erhielt er den renommierten Humboldt-Preis. Nominiert hat ihn der Augsburger Mathematik-Professor Urs Frauenfelder, an dessen Fakultät er nun für ein Jahr forscht und lehrt.
„So besonders viele Hoffnungen habe ich mir zunächst nicht gemacht“, sagt Belbruno. Zu wichtig und umworben sei der Preis, stark und groß die Konkurrenz. „Aber Urs hat ein tolles Schreiben verfasst, und jetzt bin ich hier.“Frauenfelder selbst ist ein stark theoretisch orientierter Mathematiker, Belbruno anwendungsorientierter. Diese Verbindung sei es auch, die nützlich und erfolgreich sei. Belbruno verstehe es, Theorien zum Funktionieren zu bringen, sagt Frauenfelder.
Dies gelingt ihm vor allem immer wieder, wenn es darum geht, Raumsonden mit möglichst wenig Treibstoff und damit kostensparend an ihren Bestimmungsort zu bringen. So fand er eine der ersten Tiefenergiebahnen von der Erde zum Mond, in der er die Gravitationskräfte von Erde, Mond und Sonne geschickt ausnutzte. Damit brachte er die japanische Raumsonde Hiten zum Mond, die zu wenig Treibstoff an Bord hatte und rettete die Mission damit. In Augsburg wird er mit Frauenfelder die Arbeit in diesem Bereich fortsetzen, im nächsten Semester ist auch ein Seminar für Studierende geplant.
In Augsburg wie in Princeton – Belbrunos Stammuniversität in der Nähe von New York – beweist er sich nicht nur als Forscher. Auch mit seinen Kunstwerken hat er sich im Big Apple einen Namen gemacht. Wo er sich gerade aufhält, spielt für den Maler Belbruno keine besondere Rolle. „Die Inspiration kommt aus einem selbst heraus“, sagt er, beim Malen sei er in seiner „Zone“. Dennoch hat er bereits zahlreiche tolle Plätze in Augsburg entdeckt. Natürlich gefalle ihm das Rathaus, er möge auch die Kulperhütte an der Wertach. In der Umgebung sei ihm etwa Murnau am Staffelsee besonders aufgefallen – wenig verwunderlich, war es doch lange Zeit der Wohnort der Berufskollegen Gabriele Münter und Wassily Kandinsky.
In Augsburg selbst wohnt er gerne. Princeton kennt er als kleines Dorf, in dem er nicht leben könnte ohne das riesige New York in direkter Nachbarschaft. Daher gefällt ihm, wie lebendig Augsburg ist und zugleich, dass es überschaubar genug ist, um dann und wann zur Ruhe zu kommen. Als HumboldtPreisträger durfte er gleichwohl einige aufregende Momente in Deutschland erleben, war etwa auf Schloss Bellevue zum Bundespräsidenten eingeladen.
Keine ganze neue Situation für ihn: Seine Forschung brachte ihm eine Beschäftigung durch die amerikanische Raumfahrtbehörde Nasa ein, in der er immer wieder Vorhaben und Einschätzungen an Senatoren und Abgeordnete vermitteln musste. So war er gezwungen, die theoretische Welt der Zahlen schnell zu verlassen und mitunter politisch zu agieren. Und auf milliardenschwere Gerätschaften aufzupassen, als es darum ging, den Weg von Raumsonden im All zu berechnen: „Ich fand heraus, dass Jupiter ein echter Planet ist und die Raumsonde kein Punkt, sondern eine vier Milliarden teure Maschine – und ich war verantwortlich für all das.“