Die letzten Opfer sind geborgen
Genua nimmt Abschied. Scheuer plant einen Brücken-TÜV
Immer wieder unterbricht lautes Klatschen die andächtige Ruhe kurz vor der zentralen Trauerfeier nahe des Hafens von Genua. Es ist der Applaus für die Feuerwehrmänner und die anderen Retter, die in den vergangenen fünf Tagen unermüdlich in den Trümmern des Polcevera-Viadukts nach Überlebenden gesucht haben. Sie sind die Helden der Stadt, ein Halt inmitten der großen Trauer. In der Nacht zum Sonntag haben die Retter die letzten Opfer aus den Trümmern geborgen. 43 sind es jetzt. Vermisst wird offiziell niemand mehr. Bereits am Samstag berichteten italienische Medien, ein vermisster deutscher Tourist habe sich gemeldet, um zu sagen, dass es ihm gut gehe.
Die Särge der Opfer sind mit Blumen verziert. Immer wieder treten Angehörige aus der Menge, berühren sie, weinen. Nie wurde die Bestürzung der Genuesen in den Tagen nach dem Einsturz der Morandi-Brücke deutlicher. Fast jeder in dieser Stadt mit ihren gut 500000 Einwohnern ist irgendwie von dem Unglück betroffen, geschockt, fassungslos. Zur Trauerfeier am Samstag kommen rund 10 000 Menschen. „Auf Genua schaut derzeit die ganze Welt, in einer großen Umarmung aus Emotionen, Zuneigung und Erwartung“, sagt Genuas Erzbischof Angelo Bagnasco. Dennoch hat die Veranstaltung einen Beigeschmack. Auch wenn die Trauerfeier allen Toten gilt, stehen hier nur 18 Särge. Einige Angehörige von Opfern nehmen aus Protest nicht teil. Sie halten das Schaulaufen der Politiker für eine Schande. Andere gestalten ihre eigenen Trauerfeiern.
Weiterhin schwebt über allem die Frage, wie es zu dem verheerenden Einsturz kommen konnte. Die Regierung hat ihre Schuldzuweisungen gegen den Betreiber der Autobahn verschärft, doch aus der Sicht einiger Opfer-Familien trifft auch die Politik eine große Schuld. Die private Gesellschaft Autostrade per l’Italia bestreitet Nachlässigkeit. Nach der Feier verspricht Hauptgeschäftsführer Giovanni Castellucci dennoch Hilfe für die Opferfamilien und die 600 Menschen, die ihre Häuser verlassen mussten.
Auch in Deutschland wurde nach dem Unglück über die Sicherheit der Brücken diskutiert. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) kündigte ein verbessertes Kontrollsystem für Brücken in Deutschland an. „Unabhängig von den Ereignissen in Genua werden wir Ende 2018 einen neuen weiterentwickelten Prüfungsindex für Brücken vorlegen“, sagte er der Bild
Künftig habe „die Tragfähigkeit oder die Bauwerkssituation Vorrang“bei den Kontrollen.
am Sonntag.