Reisen in arme Länder: Wie verhält man sich richtig?
Sommer, Sonne – und soziales Elend. Manche Urlauber plagt das schlechte Gewissen angesichts der Lebensumstände der Menschen am Reiseziel. Das kann man tun
Oft begegnen Reisende ihr schon auf dem Weg vom Flughafen zur Unterkunft: der Armut. Verbringen sie die Urlaubstage nicht nur im Hotel, sind die krassen Gegensätze zwischen Touristen und Einheimischen in vielen Ländern ständige Begleiter. Einfach auszuhalten sind sie nicht. Aber wer gut informiert ist, kann sich auf die Situationen einstellen. Wie geht man am besten mit der Armut um?
Gute Vorbereitung ist wichtig. Nicht alle Menschen, die für uns arm aussehen, sind es auch in ihrem Land. Das liegt an unterschiedlichen Einkommen und Lebensstandards. Gleichzeitig werden sich die wenigsten Einheimischen Urlaubsreisen leisten können. „Deswegen sollte ich als Reisender mit meinem Wohlstand verantwortungsbewusst umgehen, ihn nicht übermäßig zur Schau stellen und nicht um jeden Cent feilschen“, sagt Antje Monshausen, Leiterin von Tourism Watch bei Brot für die Welt, die sich für nachhaltigen Tourismus einsetzt. Verantwortungsvolles Verhalten schließt für Nadine Schaal auch die Achtung der Menschenrechte ein. Sie arbeitet bei der gemeinnützigen Organisation TourCert, die Reiseveranstalter und Hotels mit Ökolabels auszeichnet. „Reisende sollten bedenkliche Beobachtungen wie Missbrauch von Kindern entsprechenden Organisationen melden“, sagt sie. Das geht etwa auf der Webseite www.nicht-wegsehen.net.
Bei einem Ausflug in ein traditionelles Dorf bitten Einheimische um Geld. Wie soll man reagieren? Der Reiseleiter ist hier ein guter Ansprechpartner – vor allem, wenn er aus dem Land kommt. Er kann die Situation einschätzen und Tipps geben. „Es ist ganz wichtig, gerade Kindern kein Geld zu geben und nichts von ihnen zu kaufen“, sagt Monshausen. „Das kann ihre Familien ermutigen, sie weiterhin zum Betteln statt in die Schule zu schicken. So wird ein Teufelskreis der Armut aufrechterhalten.“
Immer häufiger werden Touren durch Armenviertel angeboten. Es gibt zwei Arten, solche Gegenden zu erkunden: aus dem Fenster eines Reisebusses oder zu Fuß. Letztere bietet die Möglichkeit, mit den Menschen auf Augenhöhe in Kontakt zu kommen. Meist leben die Guides selbst in dem Viertel und zeigen ihre Lieblingsplätze. So be- kommt man auch als Tourist einen Einblick in das Leben hinter der Touristenkulisse. Monshausen empfiehlt: „Es ist wichtig, bei den Veranstaltern nachzufragen, wie die Menschen in die Entwicklung der Touren eingebunden wurden und wie sie dauerhaft beteiligt sind. Wie wird sichergestellt, dass die Ausgaben der Reisenden auch den Bewohnern zugutekommen?“
Auch wichtig: Darf man fotografieren? Hilft es den Menschen, wenn Touristen lokale Produkte kaufen? Die lokale Bevölkerung ist häufig nicht an den Einnahmen aus dem Tourismus beteiligt. Selbst getöpferte Schalen und die Suppe aus dem familieneigenen Restaurant bringen nicht nur verschiedenen Menschen Geld, sondern vermitteln auch Wertschätzung. Die sollte ernst gemeint sein, sagt Harald Zeiss, Professor für Tourismusmanagement an der Hochschule Harz. „Mitleid ist der falsche Ansatz. Die Menschen sind stolz auf ihr Werk, sie sind Künstler und leben verhältnismäßig normal, auch wenn es für uns vielleicht als ein Leben in Armut erscheinen mag.“
Wie lassen sich Urlaub und Umweltschutz vereinen? „Mit gutem Beispiel voranzugehen, ist der wichtigste Beitrag, den man leisten kann“, sagt Schaal von TourCert. „Zum Beispiel aus Mehrwegflaschen trinken und Plastikmüll vermeiden – und den nicht vermeidbaren Müll richtig entsorgen.“Auch die Wahl der Transportmittel spielt eine Rolle. „Weniger ist oft mehr: Nehmen Sie sich Zeit, den Urlaubsort zu Fuß, per Fahrrad oder auch per Kanu zu erkunden“, rät Schaal. „Landestypische Fortbewegungsmittel bieten zudem Einblicke in die Kultur, unterstützen lokale Strukturen und sind umweltfreundlicher.“
Gerade in südlichen Ländern ist Wasser eine knappe Ressource. Vielen Einheimischen steht nur selten Süßwasser zur Verfügung, für die Touristen wird ausreichend gesorgt. Zeiss sagt: „Natürlich soll man den Urlaub genießen und sich verwöhnen lassen, aber schon kleine Maßnahmen können viel bewirken. Müssen wir jeden Tag die Handtücher wechseln lassen? Muss ich ein Bad nehmen in einer Gegend, in der Wasserknappheit herrscht?“
Außerdem sollten Touristen daran denken, nicht unnötig Energie zu verbrauchen. „Müssen Klimaanlage und Licht an bleiben, wenn wir nicht im Zimmer sind? Natürlich kann argumentiert werden, dass dafür bezahlt wurde und es nicht zusätzlich kostet, aber es sind enorme Energiefresser, die einfach vermieden werden können.“
Geldspenden sind eine einfache Möglichkeit, den Menschen vor Ort etwas zurückzugeben. Organisationen gibt es genug, in Deutschland wie im Urlaubsland. „Die Ursachen von Armut sind meist komplex und lassen sich nicht einfach durch Geld an einzelne Personen beseitigen“, sagt Monshausen. Sie rät, besser Organisationen zu unterstützen, die sich vor Ort einsetzen. „Etablierte Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit in Deutschland unterliegen hohen Auflagen in Bezug auf Transparenz und Mittelverwendung, sodass ihre Spenden auch gut ankommen.“
Besonders Langstreckenflüge sind sehr klimaschädlich. Flugreisende haben die Möglichkeit, CO2 zu kompensieren. Sie zahlen dafür einen Beitrag an eine Organisation, die das Geld in zertifizierte treibhausgasmindernde Investitionen vor allem in Entwicklungsländern steckt. Beispiele für solche Anbieter sind Atmosfair oder Myclimat. „Die Prämisse der Klimakompensation ist, dass es keine Rolle spielt, wo die Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen und wo sie reduziert werden. Wichtig ist, dass die weltweiten Emissionen in der Summe abnehmen“, erklärt Schaal den Ansatz. Reisende sollten generell darauf achten, dass die Entfernung zum Urlaubsort in einem angemessenen Verhältnis zur Reisedauer steht. Schaal nennt eine grobe Faustregel: „Fernreisen mit Langstreckenflügen über 2000 Kilometer sollten mindestens 14 Tage dauern.“Je weiter man reist, umso länger sollte man vor Ort bleiben.