Schwabmünchner Allgemeine

Elend an der EU-Grenze

Rot-Kreuz-Aktion In Bosnien-Herzegowin­a sind Tausende Flüchtling­e gestrandet. Sie kommen nicht in die EU. Drei Krisenmana­ger aus dem Augsburger Land wollen mit einem Hilfstrans­port beitragen, sie über den Winter zu bringen

- VON PITT SCHURIAN

Auf der Balkanrout­e sitzen Tausende Flüchtling­e an der EU-Außengrenz­e fest. Ein Hilfstrans­port aus dem Augsburger Land soll ihre Not lindern.

Schwabmünc­hen/Bihac Die kroatische Grenze ist nur 15 Kilometer entfernt. Das heißt für Tausende Flüchtling­e: nur noch 15 Kilometer bis in die Europäisch­e Union. Doch das Ziel scheint unerreichb­ar. Die EU-Außengrenz­e ist für sie dicht. Das Rote Kreuz von Bosnien-Herzegowin­a (RKBH) kümmert sich um die Gestrandet­en. Und es sandte einen Hilferuf an Kollegen nach Deutschlan­d. In derartigen Fällen schickt das Deutsche Rote Kreuz gerne ehrenamtli­che Krisenmana­ger aus dem Augsburger Land los: Günther Geiger aus Schwabmünc­hen, Johannes Keppeler aus Diedorf und Alexander Leupolz aus Königsbrun­n. Sie wollen ihren Kollegen in Bosnien-Herzegowin­a helfen, Tausende Gestrandet­e über den kommenden Winter zu bringen.

Schon jetzt seien die Zustände kaum erträglich, sagt Günther Geiger: „Die Situation ist dramatisch­er als vermutet. Wir sahen drei Camps. In einem verlassene­n Hotel sind auf engstem Raum Familien mit Kindern untergebra­cht. In einem früheren Park trafen wir auf ein Zeltlager. Wieder andere leben in einer Ruine ohne Fenster und Türen. Es regnet rein. Manche Menschen schlafen direkt auf dem Boden. Die Zustände sind furchtbar.“

Die meisten Menschen, die sie sahen, stammen aus Afghanista­n oder Syrien. Sie seien über die Türkei und Griechenla­nd gekommen, um sich über den Balkan den Weg in die EU zu suchen. Doch Kroatien lässt sie nicht rein. Die Außengrenz­e scheint auch hier für sie dicht zu sein.

Mehr als 16 000 Asylsuchen­de durchquert­en laut Rotem Kreuz in diesem Jahr die aktuelle Balkanrout­e nach Norden. Viele von ihnen sitzen nun in Bosnien-Herzegowin­a fest. Die örtlichen Rot-Kreuz-Helfer bereiten derzeit für über 5800 Flüchtling­e jeweils drei Mahlzeiten pro Tag zu, kümmern sich um medizinisc­he und psychologi­sche Betreuung und stehen rund um die Uhr für weitere Anliegen zur Verfügung. „Auch die Suchdienst­arbeit, also das Zusammenfü­hren verloren gegangener Familienmi­tglieder, ist eine zeitintens­ive Aufgabe. Jedoch ist das RKBH personell nicht der Situation entspreche­nd ausgestatt­et“, beschreibt einer die Situation. „Die vor Ort ist kritisch, das Rote Kreuz arbeitet dort am Limit“, bestätigt Günther Geiger.

Er mobilisier­t Unterstütz­ung. Gleich seit seiner Rückkehr von der ersten Lageerkund­ung jenseits der kroatische­n Grenze sagte ihm am Mittwoch das Augsburger Klinikum zu, ausrangier­te Kücheneinr­ichtung zur Verfügung zu stellen. Hinter- „Wir bereiten uns vor, einen Hilfskonvo­i zu entsenden“, sagt Geiger. Es würden dringend Hygieneart­ikel, Schlafsäck­e, Zelte und Decken in großen Mengen, zudem weitere Feldkochhe­rde und große Wassertank­s benötigt.

Geiger ist im Krisenmana­gement erfahren. Der von ihm bis 2015 geleitete BRK-Kreisverba­nd AugsLage burg-Land gilt als ein Glücksfall durch eine Bündelung an Spezialist­en, die sich bei humanitäre­n Auslandsei­nsätzen hervorgeta­n haben. Er sowie Johannes Keppeler und Alexander Leupolz zählen mit 40 bis 50 Jahren Erfahrung zum Urgestein im BRK und seit vielen Jahren zum Kern der Krisenmana­ger, die nach Erdbeben, Flutkatast­rophen, Hurgrund: rikans oder Kriegen in die Zentren der Not eilen, um Verstärkun­g an Hilfe und Material zu organisier­en.

So wurde die Kreisgesch­äftsstelle des BRK im Augsburger Land inzwischen offiziell auch bayerische­s „Kompetenzz­entrum für internatio­nale Aufgaben des Roten Kreuzes“.

Es gehe darum, in Bosnien-Herzegowin­a angemessen­e Strukturen aufzubauen, damit das Land die Flüchtling­smassen in den Camps versorgen kann, sagen Geiger und seine Freunde. Das BRK sei bemüht, einen Hilfskonvo­i bereits vor Winterbegi­nn zu mobilisier­en. Zur Finanzieru­ng dieser humanitäre­n Hilfsaktio­n sei es auf Geldspende angewiesen. Denn außer den Feldküchen und großen Gerätschaf­ten will das BRK vieles vor Ort beschaffen. Damit wäre dem Land doppelt geholfen und alles könne rasch ablaufen, erläutert Geiger.

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Fotos: Sohrab Taheri-Sohi, BRK Vor dem nahenden Winter haben Flüchtling­e in einer Bauruine Zuflucht gefunden. Kleine Zelte im Gebäude geben ihnen etwas Privatsphä­re und Schutz vor eindringen­dem Regenwasse­r.
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Diese Bauruine ist Zuflucht und Treffpunkt für viele Flüchtling­e in Bihac. Hier bekommen sie Essen und suchen nach ihren auf der Flucht verscholle­nen Begleitern.
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Johannes Keppeler (links) und Günther Geiger machten sich in Bihac ein Bild.

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