Das Glück, ein eigenes Bett zu haben
Integration Das Netzwerk Integration feiert mit einem Nachbarschaftskaffee die neue Wohnanlage für Flüchtlinge beim Salzstadel in Schwabmünchen. Welche Rolle die städtische Verwaltung spielt und was die Caritas bemängelt
Schwabmünchen Gespannte Stille lag über den kleinen Platz zwischen den dunkel-orange gestrichenen Häusern nahe des Salzstadels in der Giromagnystraße, als der 19-jährige Robel Tesfalem seine Worte des Dankes aussprach. „Ich konnte mir bisher nicht vorstellen, mein eigenes Zimmer zu haben“, sagte der junge Mann aus Eritrea, der bis vor Kurzem noch mit seinem Vater in der Gemeinschaftsunterkunft in der Römerstraße wohnte. Die galt auch für die anderen acht Bewohner in der Anfang Oktober bezogenen Anlage, die bei einem Nachbarschafstreff willkommen geheißen wurden. Karola Stenzel und Janine Knöpfle setzten diese Idee zusammen mit den Bewohnern um. „Wir sind im nahen Umfeld mit den Bewohnern von Tür zu Tür gegangen und haben die Nachbarn zu einem Kennenlerntreff eingeladen“, sagte Stenzel. Unterstützung bekamen die Aktivistinnen von Schülerinnen aus dem M-Zug der Leonhard-WagnerMittelschule, an der sie als Religionslehrerin tätig ist.
Nach der Segnung der gesamten Anlage durch Kaplan Pater Joseph Thundathil ging er mit den Bewohnern der bisher vier belegten Wohnungen der Flüchtlinge aus Afghanistan und Eritrea von Wohnung zu Wohnung. Drei weitere Wohnungen sind bis jetzt schon vergeben, aber noch nicht bezogen. „Das ist das vorläufige Ende unserer langen Reise“, sagte Robel Tesfalem, der 2015 mit seinem Vater nach der Flucht aus einem Dorf 40 Kilometer südlich der eritreischen Hauptstadt Asmara durch die Sahara und das Mittelmeer in Deutschland ankam. In sehr gutem Deutsch, welches er ab Mitte 2016 lernte, konkretisierte er seine Zukunftswünsche. „Ich habe meine mittlere Reife erlangt und gehe jetzt auf die FOS. Gerne will ich im Bereich Maschinenbau tätig sein“, sagte er.
Mit Stolz zeigte Tesfalem sein neues, 49 Quadratmeter umfassendes Zuhause, dass er sich mit seinem Vater teilt. Ein großer Wohnraum, der auch zur Installation einer kleinen Küchenzeile vorbereitet ist sowie zwei kleine Schlafzimmer und ein Bad stehen ihnen zur Verfü- gung. Die Wohnung ist bis auf wenige Möbel leer, wenige Kartons beinhalten ihr Hab und Gut. „Mit der Zeit kommt noch etwas dazu. Ich empfinde tiefe Freude und Dankbarkeit über diese Wohnung, so etwas wagte ich mir nicht mal vorzustellen“, kommentierte er mit sichtlichem Glanz in seinen Augen.
„Der Stadtrat beschäftigte sich schon im März 2016 mit dem Bau der staatlichen Anlage auf staatlichem Grund. Baubeginn war, bedingt durch Altlasten auf dem Grundstück, im Oktober 2017. Die beiden Gebäude wurden in Containerbauweise errichtet und waren augenscheinlich im März 2018 fertiggestellt. Die Wohnanlage besteht aus zwei Gebäuden mit je vier gleichen Apartments“, wusste Andreas Claus von der Caritas Schwabmünchen, die auch federführend beim Netzwerk Integration ist, zu berichten. Wegen Baumängeln habe das Bezugsdatum noch ein halbes Jahr auf sich warten lassen.
„Wir in Schwabmünchen können stolz auf die Anlage sein. Sie liegt etwas außerhalb, aber doch mitten drin. Und darum geht es bei der Integration. Die große Anzahl der Nachbarn zeigt, dass in Schwabmünchen die Integration nicht nur ein Wort ist, sondern gelebt wird“, sagte Johann Nebauer, Zweiter Bürgermeister der Stadt, in Vertretung für Lorenz Müller. Einheimische sollen ebenfalls einziehen können, da die Stadt für drei der acht Wohnungen ein direktes Belegungsrecht habe. Bei den anderen Apartments stimme die Regierung von Schwaben die Vermietung mit der Stadt ab, wobei das Netzwerk Integration eine wesentliche beratende Rolle habe, erläuterte er die städtische Sicht.
„Bei all den schönen Momenten liegt jedoch ein Wermutstropfen. Der Freistaat setzt eine Miethöhe an, die oberhalb dessen liegt, was sozialhilferechtlich als angemessen anerkannt wird“, kritisierte Andreas Claus. Dennoch sei die staatliche Wohnanlage aus Sicht der Caritas ein Gewinn für Schwabmünchen, weil mit ihr vor Ort dringend benötigter zusätzlicher bezahlbarer Wohnraum für einkommensschwache Mitbürger entstanden sei, fügte er hinzu. „Besonders froh bin ich darüber, dass nahezu alle Bewohner in der Nähe einen Arbeitsplatz gefunden haben“, schloss Claus seine Betrachtungen ab.
„Besonders gefreut habe ich mich über die zahlreiche Teilnahme der Nachbarn. Auch die kleinen Gastgeschenke an die Flüchtlinge sind Zeichen der gelebten Integration“, sagte Karola Stenzel, während ihre Schülerinnen und die Bewohner den Veranstaltungsort aufräumten. Von den Nachbarn seien Anregungen gekommen, ob man nicht mal gemeinsam etwas unternehmen oder kochen könne, ergänzte sie und fuhr fort: „Auf jeden Fall sind solche kleinen Veranstaltungen zukunftsweisend für gelebte Integration.“