Der King of Talk
Porträt Er wurde belächelt, doch das kümmerte ihn nie. Die ganz Großen kamen ja trotzdem in seine Sendung. Wie hat dieser Larry King das nur gemacht?
Voices of God – Stimmen der Götter – nennen die Amerikaner die Moderatoren ihrer großen Nachrichtensendungen im Fernsehen. Weil diese viele Jahre lang den Zuschauern meist grauhaarig, mit blendenden Zähnen und braun gebrannt, mit fast göttlicher Autorität die neuesten Nachrichten aus aller Welt erläutern sollten. Um solch eine göttliche Autorität hat sich Larry King nie geschert. Er wollte Interviewgästen, vor allem in seiner Paradesendung „Larry King Live“, eher wie ein einfacher Bürger von nebenan begegnen. Er versuchte erst gar nicht, sie nie aufs Glatteis zu führen oder durch übertrieben umfassende Vorbereitung und Vorwissen zu beeindrucken. Trotzdem (oder gerade deswegen?) wurde der Mann, der heute seinen 85. Geburtstag feiert, eine amerikanische Kultfigur.
Branchenexperten verspotteten King, der in aller Regel mit Hosenträgern und aufgekrempelten Hemdsärmeln moderierte und nur einen Tisch, ein Mikro und eine Weltkarte als Deko brauchte, als Kuschel-Talker. Aber die Zuschauer waren ihm so treu, dass er auf dem in den 80er Jahren gegründeten Kabelsender zum erfolgreichsten und langlebigsten Talkmaster aller Zeiten avancierte, Millionen Zuschauer erreichte und (viele) Millionen verdiente.
Egal, was die „Eliten“von Kings simpler Interviewführung hielten, sie kamen einfach an ihm nicht vorbei, darunter alle amtierenden US-Präsidenten sowie einmal gar live im Studio alle aktuellen Protagonisten des Konflikts zwischen Israel und Palästina. Und sonst eher medienscheue Superstars wie der Sänger Frank Sinatra fühlten sich bei Kings sanfter Gesprächsführung sowieso wohler. Der Moderator, der nie eine Universität von innen gesehen hat, aber jeden Tag stundenlang die Zeitung liest, wurde unter dem Namen Lawrence Harvey Zeiger in Brooklyn als Sohn jüdischer Einwanderer aus Österreich und Weißrussland geboren. Einer seiner ersten Chefs in Florida änderte seinen Namen in „King“, weil Zeiger zu jüdisch klinge. Später brauchte King solche öffentlichen Zugeständnisse nicht mehr, sein Privatleben etwa glich einer Seifenoper – er war siebenmal verheiratet, unter anderem zweimal mit der gleichen Frau. Im Jahr 2010, als die Quoten langsam zurückgingen und bei die Diskussionen um sein Millionengehalt begannen, machte King aus eigenen Stücken Schluss. Seitdem hat er nur noch gelegentlich ein Teil-Comeback versucht. Er überstand einen Herzinfarkt, besiegte gleich mehrfach den Krebs – und ließ sich von all dem nicht unterkriegen: „Ich habe viele Krankheiten gehabt, aber noch nie Rückenschmerzen und noch nie Kopfschmerzen, was für mein Alter sehr selten ist“, sagte er kürzlich in einem Interview.
Ein selbst erklärtes Ziel hat er nicht erreicht: den „Larry King“der nächsten Fernsehgeneration, also einen Nachfolger für sich selbst, zu finden.