Starke Rollen für eine einzelne Akteurin
Theater Cornelia Gutermann-bauer brilliert in Königsbrunn mit Tschechow und meisterhaftem Rollentausch. Monolog und Dialog in Personalunion komibiniert mit ausdrucksstarker Mimik und ausladender Gestik
Königsbrunn Der Hausarzt diagnostiziert eine leichte Depression und sein Rat ist drastisch: Die junge Witwe solle sich sieben Liebhaber zulegen, für jeden Wochentag einen. Vor sieben Monaten ist der Mann gestorben, vom Pferd gefallen. „Ein Pferdezüchter, der vom Pferd fällt - was für eine Werbung“, lamentiert die Trauernde und erzählt von ihrem scheinbar tristen Dasein und der Suche nach dem wahren Leben. So beginnt die Liebeskomödie „Das wahre Leben ist doch anders“, die das Turmalin-theater in der Stadtbücherei aufführt.
Das Stück ist angelehnt an die Dramen von Anton Tschechow (1869 - 1904), die Adaption hat Bühnenautor und Regisseur Günter Bauer geschrieben. Im ersten Teil wird die Sehnsucht nach Sinnhaftigkeit, wie sie auch Tschechow aufgreift, thematisiert. Dabei streut Bauer aktuelle Themen kritisch ein, beispielsweise wenn die Protagonistin über ihren letzten Urlaub sagt, der war öde und „soviel Sonne braucht doch kein Mensch“. Außerdem habe sie viele Kirchen und Museen besucht, das tue sie zuhause doch auch nie.
Im zweiten Teil der Aufführung nimmt das Stück direkten Bezug auf Tschechows Theaterstück „Der Bär“: Ein Gläubiger verlangt von der Witwe das ausstehende Geld, dass der Verstorbene ihm noch schuldet. Zwischen beiden entspinnt sich ein rasanter Dialog, ein Streitgespräch. Anfangs geht es um die Außenstände, später um den Umgang miteinander und dann um das Verhältnis Männer und Frauen, bis schlussendlich beide Figuren feststellen, wie gleich ihre Sehnsüchte und Erwartungen ans Leben sind und so zueinander finden.
Besondere am Turmalintheater ist, dass Schauspielerin Cornelia Gutermann-bauer beide Rollen verkörpert. Mal steht sie auf der linken Seite der Bühne, eingetaucht in rotes Scheinwerferlicht und spielt die Entrüstete. Ihre Stimme ist hoch oder resignierend leise. Dann wechselt die Schauspielerin die Seite. Rechts ballt sie wütend die Faust und fordert das ausstehende Geld ein. Das weiße Scheinwerferlicht strahlt sie von unten an, ihre Gesichtszüge wirken hart und die Schatten an der rückliegenden Wand groß. Zwischenzeitlich wendet sich die Witwe immer wieder direkt an die Zuschauer, erzählt von ihren Gefühlen und Beobachtungen.
70 Minuten steht Gutermanndas Bauer auf der Bühne, hält Monolog und Dialog in Personalunion und macht mit ausdrucksstarker Mimik und ausladender Gestik die Figuren lebendig. Am Ende wird sie dafür mit minutenlangem Applaus und vereinzelten Bravo-rufen belohnt.
Zweite Bürgermeisterin Barbara Jaser ist begeistert: „Das war ganz, ganz toll.“Sie habe vorher nicht gewusst, was sie erwartet, so Jaser, „aber das war eine herausragende Leistung der Schauspielerin.“Auf Nachfrage erzählt Gutermann-bauer, ein Vierteljahr habe sie intensiv für das Stück geprobt und immer wieder einzelne Passagen memoriert: „Der Text muss gut eingeprobt sein.“Der Rest sei dann Konzentration und Spannungsaufbau vor der Aufführung.
Warum gerade Tschechow? Das beantwortet Gutermann-bauer so: „Mein Mann und ich mögen Tschechow, in seinen Stücken liegt immer eine große Sehnsucht.“Ähnlich äußert sich auch Stadtbücherei-leiterin Kathrin Jörg: „Tschechow ist einfach ganz große Weltliteratur.“Deshalb habe das Theaterstück auch so gut als Abschluss zum Jubiläumsjahr der Stadtbücherei gepasst.
Besucherin Martina Bäßler ist besonders von der schauspielerischen Leistung von Gutermann-bauer überzeugt, die mit lauter und leiser, harter und weicher Stimme die unterschiedlichen Charaktere der Figuren darstellt. Und Inge Kreller erklärt: „Ich war auf den Ablauf gespannt, wie das Einfrau-stück auf die Bühne gebracht wird.“Dabei habe sie die Schauspielerin mit ihrem Rollenwechsel überzeugt, wie sie sagt. „Ich bin total fasziniert.“
Sehnsucht nach Sinnhaftigkeit wird thematisiert