Der gläserne Datenschützer
Ulrich Kelber dürfte dem Amt wieder mehr Gehör verschaffen. Er ist unabhängig und kann austeilen. Warum er kein Geheimnis um seine Steuererklärung macht
Als 2009 Bundespräsident Horst Köhler wiedergewählt wurde, gab es zwei Mitglieder der Bundesversammlung, die das Ergebnis vorab per Twitter in die Welt hinausposaunten: die heutige Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) und der SPD-Abgeordnete Ulrich Kelber. Das Wahlergebnis fällt zwar nicht unter den Datenschutz, aber diese Indiskretion gehört sich eigentlich nicht. Den Politikern hat sie nicht geschadet. Kelber, der weniger bekannte der beiden, war zuletzt als parlamentarischer Staatssekretär im Justizministerium zuständig für den Verbraucherschutz, bis er im März auf Wunsch von Andrea Nahles einer Frau Platz machen musste.
Der 50-Jährige – geboren in Bamberg, aufgewachsen und auch heute noch daheim in Bonn – dürfte mit einem lachenden und einem weinenden Auge seinen Posten abgetreten haben. Denn seine Parteifreunde hatten ihm in Aussicht gestellt, im Herbst neuer Bundesdatenschutzbeauftragter werden zu können. Hinzu kam, dass der fünffache Vater seiner Frau hatte versprechen müssen, 2021 nicht mehr für den Bundestag zu kandidieren, um wieder mehr Zeit für die Familie zu haben. Jetzt hat ihn das Parlament gewählt, was mit der vorzeitigen Aufgabe des Bundestagsmandats verbunden ist. Und es kommt noch besser: Der oberste Datenschützer hat seinen Dienstsitz sozusagen vor der Haustür in Bonn. Wo es ihm im Übrigen als erstem SPD-Politiker überhaupt gelungen ist, das Direktmandat zu gewinnen – und das nun schon zum fünften Mal. Zuvor war Bonn – angefangen bei Konrad Adenauer – immer fest in der Hand der CDU gewesen. Ulrich Kleber ist ein offener Mensch. Aus manchen Daten macht er im Gegensatz zu anderen Politikern kein Geheimnis. Zum Beispiel seine Steuererklärung: Die Basisdaten stellt er jährlich ins Netz. Oder die heiklen Kontakte zu Lobbyisten: Da steht dann auf seiner Website zum Beispiel, dass er mit dem Chef der Vonovia, des größten deutschen Immobilieneigentümers, am 16. Juli 2016 ein Telefongespräch geführt hat, in dem es um die Regierungspläne für den Mietspiegel und die Modernisierungsumlage gegangen ist.
Nun wird von dem Diplom-Informatiker Kelber, der auch Biologie studiert hat, erwartet, dass er seinem Amt wieder mehr Gehör verschafft. Dem gar nicht leisen Zwei-Meter-Mann dürfte das nicht schwerfallen, zumal Vorgängerin Andrea Voßhoff (CDU) eher geräuscharm agierte. Er kann austeilen. Die AfD-Sympathisantin Erika Steinbach nannte er einmal eine „Idiotin“. Digitalstaatsministerin Dorothee Bär (CSU) nervte er im Frühjahr mit seinen Attacken auf Anwälte, die über die neue Datenschutzgrundverordnung diskutierten. Sie nannte das „DatenschutzBashing“. Und mit seiner Kritik an der Kohleverstromung hat sich der grüne Sozialdemokrat viele Feinde im SPD-Landesverband NRW gemacht. Joachim Bomhard