Feuerwehr fordert Polizeischutz
Gesellschaft Die Helfer werden bespuckt und getreten, gebissen und beleidigt. Und an Silvester sogar mit Raketen beschossen. Nun schlägt die Feuerwehr-Gewerkschaft Alarm
München „Ich habe es selbst schon erlebt. Ich bin letztes Jahr mit einem Messer bedroht worden“, schildert ein Feuerwehrmann. „Ich bin persönlich schon mal angefahren worden – weil der unbedingt da durch die Einsatzstelle durchfahren wollte“, sagt sein Kollege.
Die Deutsche Feuerwehr-Gewerkschaft schlägt Alarm, weil Feuerwehrleute immer häufiger im Einsatz attackiert werden – und erhebt eine drastische Forderung: Polizeischutz für Einsatzkräfte an Silvester. Die Gewalt nehme dramatisch zu, sagt Siegfried Maier, stellvertretender Bundesvorsitzender und Bayern-Chef der Gewerkschaft. „Immer mehr Kollegen haben Schwierigkeiten, weil sie im Einsatz bedroht werden“, sagt Maier. „Wir haben Angst, dass das noch schlimmer wird.“An Tagen wie Silvester müsse darum künftig eine Polizeistreife standardmäßig FeuerwehrEinsätze begleiten, fordert die Gewerkschaft. „Viele Massen, viel Alkohol, viel Spaß“, sagt Maier. „Regelmäßig werden die Einsatzfahrzeuge mit Raketen beschossen.“Seine Forderung bedeutet viel zusätzliches Polizeipersonal. Doch Maier sagt: „Ich halte es für sehr schwer – aber möglich.“
Das bayerische Innenministerium weist die Forderungen zurück. Im Jahr 2017 kam es nach Ministeriumsangaben nur bei jedem 2500. Feuerwehreinsatz im Freistaat zu einer Straftat. Angriffe auf die Feuerwehr seien inakzeptabel und „ein absolutes Unding“, sagte ein Sprecher. Die Statistik des Landeskriminalamtes (LKA) zeige aber, „dass ein dauerhafter unmittelbarer ,Polizeischutz‘ bei jedem Feuerwehreinsatz nicht gerechtfertigt wäre“. Nach LKA-Angaben gab es im Jahr 2017 insgesamt 88 Fälle von Gewalt gegen Feuerwehrleute in Bayern – im Jahr 2013 waren es 128, 2012 sogar 145. Die Gewerkschaft geht allerdings von einer sehr viel höheren Dunkelziffer aus. Als Schwerpunkte der Gewalt gegen Feuerwehrleute nennt Maier Berlin und das Ruhrgebiet. „Aber auch in Bayern kommt es immer öfter vor. Die Kollegen werden beschimpft, sie werden bespuckt.“Der Sprecher des Bundesverbandes, Tobias Thiele, nennt es ein bundesweites Problem. „Aber im Ruhrgebiet gibt es regelrechte No-go-Areas.“Und auch dort müssten die Feuerwehrleute teilweise in Zwei-Mann-Teams zum Einsatz antreten – da könne Polizeischutz helfen. Thiele meint: „Bei Fußballspielen geht das ja zum Beispiel auch, da kommen Verbindungsbeamte zum Einsatz.“
„Respekt – ja bitte!“heißt das Kampagnen-Video auf der Gewerkschaftshomepage, das mit den Schilderungen der betroffenen Feuerwehrleute auf die Gewalt aufmerksam machen will. Die Botschaft: „Es ist nicht nur respektlos, sondern es gefährdet Menschenleben.“Seit drei Jahren beschäftige sich die Feuerwehr mit dem Thema, sagt Maier. Wie groß das Problem wirklich sei, wisse aber selbst die Gewerkschaft nicht – weil Vorfälle nicht zentral erfasst würden. „Wir brauchen endlich ein zentrales Meldesystem“, fordert Maier. Er schildert einen besonders krassen Fall aus Dortmund: An Silvester sei dort ein Feuerwehrmann, der die Pumpe bediente, um seine Kollegen in einem brennenden Haus mit Wasser zu versorgen, so heftig mit Raketen beschossen worden, dass er unter dem Feuerwehrwagen Schutz suchen musste. Für die Kollegen, die versuchten, das Feuer zu löschen, und plötzlich kein Wasser mehr hatten, bedeutete das Lebensgefahr. Michael Beltle von der Berufsfeuerwehr München schildert in der Bild-Zeitung: „Ich wurde bei einem Rettungseinsatz gebissen. Die Frau hatte Hepatitis C, war HIV-positiv. Da war lange große Angst.“
Gewalt gegen Rettungskräfte ist kein neues Phänomen, aber eines mit zunehmender Brisanz. Das Bayerische Rote Kreuz (BRK) meldete Mitte November für dieses Jahr 86 Fälle von Attacken auf Helfer – von Beleidigungen und Anspucken über Schläge und Tritte bis hin zu seltenen Fällen von Waffengewalt. Die tatsächliche Zahl dürfte aber deutlich höher sein, weil nur 30 von 73 Kreisverbänden überhaupt Meldungen abgegeben haben. Thiele von der Feuerwehr-Gewerkschaft schildert einen Fall aus dem hessischen Wiesbaden: Während ein Rettungsteam einen Patienten versorgte, schraubten Unbekannte die Radmuttern am Krankenwagen ab. „Das ist indiskutabel, was hier inzwischen läuft.“