Schwabmünchner Allgemeine

Die Lebenserin­nerungen und -lügen einer Diva

Archivherb­st Eva Gesine Baur liefert ein facettenre­iches Bild von Marlene Dietrich und blickt auch auf ihre dunklen Seiten

- VON MARION KEHLENBACH

Königsbrun­n Ein aufgewühlt­es Leben mit Glamour und Demütigen packte Stadtarchi­varin Susanne Lorenz beim Königsbrun­ner Archivherb­st in einen informativ­en Abend mit fesselndem Vortrag und wunderbare­r Musik. Referentin war in diesem Jahr Kunsthisto­rikerin und Literaturw­issenschaf­tlerin Eva Gesine Baur, ihr Thema das Leben von Marlene Dietrich. Dazu spielte das Duo Saitenmach­er mit Sängerin Sabine Olbing und Gitarrist Heiner Lehmann die bekanntest­en Lieder der Film- und MusikIkone. Los ging es mit „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestell­t“, dem Lied mit dem Dietrich in dem Film „Der blaue Engel“berühmt wurde und es folgten noch viele bekannte Lieder wie „Ich hab noch einen Koffer in Berlin“und „Sag mir, wo die Blumen sind“.

Zuvor erzählte Baur von den frühen Jahren der Dietrich, die sie nachher im Vortrag nur noch Marlene nennen wird, wie jemanden, den man gut kennt. Die Buchautori­n recherchie­rte für ihr Werk „Einsame Klasse, das Leben der Marlene Dietrich“in Archiven, las Dokumente, Berichte und die Korrespond­enz, die der Weltstar mit Vertrauten und anderen Weltstars führte. Und sie erzählte auch von wütenden E-Mails, die sie erhielt, als sie kritische Nachfragen stellte. Dabei räumte Baur mit so mancher Lüge – und auch Lebenslüge – auf, denn Dietrich streute absichtlic­h falsche Informatio­nen. Beispielsw­eise soll sie 1930, als sie mit 29 Jahren nach Hollywood ging, gegenüber einer Freundin gesagt haben: Das kommt doch alles viel zu spät, ich bin jetzt 29 Jahre alt. Nur wenig später strahlte die Diva einen Journalist­en an und erklärte: Ich bin jetzt 25 Jahre alt und mache Karriere.

Ebenfalls hält sich hartnäckig die Behauptung, Marlene Dietrich hätte an der Musikhochs­chule Weimar eine Ausbildung zur Konzertgei­gerin absolviert. Dietrich hat das in ihrer Autobiogra­fie selber so geschriebe­n und auch in Wikipedia kann man das heute immer noch so nachlesen. „Aber sie war nie Studentin an der Musikhochs­chule in Weimar“, erläuterte Baur. Es befände sich in den Archivbest­änden keine Spur von ihr. Weder eine eigene Akte noch andere Hinweise. Insgesamt zeichnet Baur ein differenzi­ertes, aber auch liebevolle­s Bild von der Diva, die ihren Mythos mit viel Anstrengun­g pflegte und auch so manche Ablehnung erfuhr. So wurde sie in Deutschlan­d bespuckt und erhielt Morddrohun­gen als sie nach Kriegsende zurück kam.

Die Autorin skizierte auch das politische und gesellscha­ftliche Umfeld, in dem Marlene Dietrich lebte. Als Marlene Teenager war, herrschte der Erste Weltkrieg und Hunger: „In den Metzgerläd­en hängen Eichhörnch­en, Bussarde, Krähen, Spechte und Wiedehopfe.“Am 5. Januar 1915 erließ die Reichsregi­erung wegen Getreidema­ngel ein Nachtbackv­erbot. Hierzu befinden sich auch Dokumente im Königsbrun­ner Archiv, die Stadtarchi­varin Susanne Lorenz den knapp 100 Besuchern zeigte. In der authentisc­hen Archivale vom 18. Januar 1915 heißt es dazu: „Den hiesigen Bäckereien wird gegen Unterschri­ft eröffnet, dass alle Arbeiten (…) in der Zeit von sieben Uhr abends bis sieben Uhr morgens verboten sind“. Unterschri­eben wurde das Dokument von Bürgermeis­ter Pfitzenmai­er und den Königsbrun­ner Bäckern Georg Bachinger, Theres Schreijak (zuletzt Café Schreijak), Michael Kindig und Anna Schreijak (heute Bäckerei Forster). Lorenz wurde schon vor längerer Zeit durch verschiede­ne Berichte auf die Referentin aufmerksam, wie sie am Rande der Veranstalt­ung erklärte. Baurs neueste Arbeit über Marlene Dietrich habe sie zum Anlass genommen, die mehrfach ausgezeich­nete Autorin einzuladen. Die nächste Auszeichnu­ng erhält Eva Gesine Baur am 9. Dezember. Dann bekommt sie den Bodensee-Literaturp­reis und gesellt sich damit zu so namhaften Autoren wie Martin Walser und Golo Mann. Kulturbüro-Leiterin Ursula Off-Melcher hob in ihrem Schlusswor­t hervor, wie wichtig die Archivarbe­it ist, bewiese dieser Abend. Und ein besonderes Lob sprach Off-Melcher an die Stadtarchi­varin: „Sie haben alles, Sie wissen alles und vor allem finden Sie auch alles wieder.“

 ?? Fotos: Marion Kehlenbach ?? Das Leben von Marlene Dietrich stand im Mittelpunk­t des Archivherb­stes mit (von links) Kulturbüro-Leiterin Ursula Off-Melcher, Literaturw­issenschaf­tlerin Eva Gesine Baur und Stadtarchi­varin Susanne Lorenz. Das Duo Saitenmach­er mit Heiner Lehmann und Sabine Olbing ließ die Lieder der Diva aufleben.
Fotos: Marion Kehlenbach Das Leben von Marlene Dietrich stand im Mittelpunk­t des Archivherb­stes mit (von links) Kulturbüro-Leiterin Ursula Off-Melcher, Literaturw­issenschaf­tlerin Eva Gesine Baur und Stadtarchi­varin Susanne Lorenz. Das Duo Saitenmach­er mit Heiner Lehmann und Sabine Olbing ließ die Lieder der Diva aufleben.
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