Interview Was ist eigentlich konservativ?
Der Historiker Michael Wolffsohn spricht anlässlich der Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer zur Nachfolgerin von Angela Merkel über einen Begriff, der in der Union und in der Gesellschaft seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert wird
Herr Prof. Wolffsohn, Annegret Kramp-Karrenbauer ist Nachfolgerin von Angela Merkel als Parteivorsitzende. Was erwarten Sie von ihr? Sinne durchaus konservativ. Ich versuche meine Positionen – also das, was ich für bewahrenswert halte – nachvollziehbar zu erklären. Und zwar in einem Dialog mit möglichst vielen anderen. Wenn so etwas ohne Dialog geschieht, landet man im Dogmatismus. Das wäre das Ende allen Denkens und der sichere Weg zum Scheitern. Zu sagen „früher war alles besser“, ist weder richtig noch konservativ, sondern, ganz wörtlich, reaktionär.
Der CSU-Politiker Alexander Dobrindt hat vor einiger Zeit eine „Konservative Revolution“gefordert. Was halten Sie davon? Konservativer war die CDU, als die traditionelle Rolle der Religion, in erster Linie die katholische Konfession, noch eine größere Rolle spielte. Der rechte, sehr marktorientierte Flügel war gesellschaftlich konservativ – gleichzeitig aber wirtschaftlich dynamisch und modern.
Diese konservativen Elemente sind unter Angela Merkel geschwächt worden. Partei entfremdet. Gleichzeitig haben sich die Grundlagen in Deutschland verschoben. Zum Beispiel demografisch, durch die starke Zuwanderung, die 2015 schlagartig einsetzte. So sind frühere Anhänger der CDU oder CSU heute bereit, AfD zu wählen.
Ist der Konservativismus, wie es in der Union oft heißt, tatsächlich ein Bollwerk gegen den Populismus? Die AfD sieht sich als Bewahrer bürgerlicher Werte. Ist die Partei konservativ? Wie sähe denn ein konservatives Konzept für eine humanitäre, aber gleichzeitig maßvolle Flüchtlingspolitik aus?