Wolffsohn:
Das stimmt. Aber sie hatte auch lange keine andere Wahl. Im Rückblick betrachtet hat sie eine strategische Meisterleistung abgeliefert. Ich sage das ganz nüchtern, ohne dass ich allem, was sie getan hat, zustimmen muss. Merkel ist aus der Atomenergie ausgestiegen, sie hat die Wehrpflicht ausgesetzt und Deutschlands Tore Migrantenmassen geöffnet. Somit wurde die CDU ein möglicher Grünen-Partner. Sie hat die CDU entstaubt und der SPD mit sozialpolitischen Akzenten Wähler entzogen. Auf diese Weise hat sie die Partei für die linke Mitte wählbar sowie koalitionsfähig gemacht und dafür gesorgt, dass es im Bund einstweilen keine Koalition ohne die Beteiligung der Union geben kann.
Diese Strategie trägt augenscheinlich nicht mehr. Was ist geschehen? wie Nebelkerzen. Es geht um ein konservatives Staatsverständnis. Das Pendel ist von einer Vergottung des Staates zurückgeschwungen hin zu einer Überbetonung des Individualrechts. Die Entleerung konservativ-bürgerlicher Werte durch die Nazis wirkt bis heute. Die oberflächliche Restauration dieser Werte in der Adenauer-Zeit wurde von den 68ern wie ein Kartenhaus umgestoßen. Das Problem ist, dass viele dem Staat nicht mehr zutrauen, zeitlose Werte durchzusetzen. Das gilt auch für den Schutz nach innen und außen. Es ist ja beispielsweise eine Tatsache, dass Migranten häufiger straffällig werden. Das schafft Verunsicherung.