Airbnb muss Betten-Anbieter verraten
Urlauber aus der ganzen Welt finden über die Plattform private Unterkünfte. Die Stadt München erhält jetzt Auskunft über die Gastgeber. Wie es in Augsburg und Berlin aussieht
München „Schöne, helle, vollmöblierte Einzimmerwohnung“– und in nur fünf Minuten soll man zu Fuß im Englischen Garten sein. So wirbt eine Münchnerin für ihre private Unterkunft auf der Online-Vermittlungsplattform Airbnb und verlangt in der Adventszeit fast 80 Euro pro Nacht. Bisher weiß die Stadt München nicht, wie oft sie – und zahlreiche andere Menschen in der Landeshauptstadt – ihre private Wohnung als Ferienwohnung vermietet. Mit einem Urteil des Verwaltungsgerichts München kann sich das jetzt ändern: Airbnb muss den Behörden Auskunft über seine Gastgeber geben.
Wie ein Gerichtssprecher mitteilte, haben die Richter eine Klage von Airbnb gegen eine entsprechende Verordnung der Stadt abgewiesen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und bezieht sich ausschließlich auf die Landeshauptstadt. Die Stadtverwaltung kann somit die Daten aller privaten Unterkünfte bei dem US-Unternehmen anfordern, die länger als acht Wochen im Zeitraum von Januar 2017 bis einschließlich Juli 2018 als Ferienwohnung angeboten worden sind. Dabei geht es um Namen und Adressen der jeweiligen Gastgeber.
Der Hintergrund: Wer seine private Wohnung mehr als acht Wochen im Jahr als Ferienwohnung vermietet, begeht eine Ordnungswidrigkeit und kann mit bis zu 500 000 Euro Bußgeld zur Kasse gebeten werden. Dabei geht es um Zweckentfremdung, weil der im Stadtgebiet knappe Wohnraum gewerblich genutzt wird.
Die Europazentrale des Wohnungsvermittlers im irischen Dublin hatte auf ein Schreiben des Münchner Sozialreferats nicht reagiert und ist vor Gericht gezogen. Die irischen Behörden seien rechtlich zuständig und nicht die Münchner Stadtverwaltung, erklärten die Anwälte des Konzerns. Die Vorsitzende Richterin entgegnete: „Soll die Stadt München nach irischem Recht vorgehen?“
Das Gericht entschied, dass weder die Republik Irland für die Überwachung des Zweckentfremdungsrechts in München zuständig sei, noch das irisches Recht gelte. Das Auskunftsverlangen des Sozialreferats sei nach EU-Recht zulässig. Kommt Airbnb der Aufforderung nicht nach, droht ein Zwangsgeld von 300 000 Euro.
Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) erklärte, das Urteil „zeigt, dass sich Airbnb nicht aus der Verantwortung ziehen kann. Wir brauchen jede bezahlbare Wohnung für die Münchnerinnen und Münchner.“Deshalb werde alles getan, um Zweckentfremdung zu verhindern. Auch der Deutsche Mieterbund begrüßte das Urteil. „Wenn die schwarzen Schafe, die ihre Wohnung nur für Feriengäste weitervermieten, gefunden werden, kann dringend benötigter Wohnraum dem normalen Mietwohnungsmarkt zugeführt werden“, erklärte Geschäftsführerin Monika Schmid-Balzert.
Seit Jahren ärgert sich das Münchner Sozialreferat, weil durch Airbnb dringend notwendiger Wohnraum in der Millionenstadt fehle. 2017 sind nach Angaben der Behörde 298 bis dahin zweckentfremdete Wohnungen wieder dem freien Markt zur Verfügung gestellt worden. Das bayerische Zweckentfremdungsgesetz hatte der Landtag im Juli 2017 beschlossen. Daraufhin passte München als einzige Stadt im Freistaat seine Satzung an, erhöhte die Bußgelder und forderte Airbnb auf, Daten zu den Gastgebern preiszugeben. Im Bundesgebiet sind sonst noch die Millionenstädte Berlin und Hamburg aktiv.
Denn kaum etwas nervt Berliner mehr als das Geräusch von Rollkoffern, die übers Pflaster von Wohngegenden rattern. Die Hauptstadt wird bei Touristen immer beliebter, andererseits wächst die Wohnungsnot, die Mieten explodieren. Die eigene Wohnung über Plattformen wie Airbnb unterzuvermieten, stellt für viele Bewohner von immer teurer werdenden „Kiezen“einen lukrativen Nebenverdienst dar.
In Berlin ist es ein offenes Geheimnis, dass zahlreiche Wohnungen praktisch dauerhaft als Ferienwohnung dienen, wodurch dringend benötigter Wohnraum verloren geht. Deshalb gilt seit Jahren auch in Berlin das Zweckentfremdungsverbot, das genau dies vermeiden soll. Nach dem Gesetz ist es genehmigungspflichtig, Mietwohnungen in Ferienwohnungen umzuwandeln. In diesem Jahr wurde das Gesetz geändert, sodass das Geschäftsmodell von Airbnb nun zumindest unter Auflagen anerkannt wird.
Wer seine Wohnung untervermietet, braucht in Berlin eine Registriernummer und eine Genehmigung. Sonst riskiert er Bußgelder von bis zu 500000 Euro. Trotzdem fand sich bei Recherchen des Fernsehsenders RBB auf mehr als 90 Prozent der gut 13000 Inserate bei Airbnb keine Registriernummer.
Viele Bezirke sehen sich aufgrund chronischen Personalmangels aber nicht in der Lage, aktiv im Internet nach illegalen Vermietungen zu forschen. Weil Airbnb bislang keine Daten seiner Kunden herausgibt, konnten sich illegale Berliner Wohnungsvermieter sicher fühlen. Doch nun beginnt das große Zittern: Wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts München Bestand hat, das Airbnb zur Preisgabe von Adressen und Anbietern zwingt, könnten in Trendbezirken wie Kreuzberg, Friedrichshain oder Prenzlauer Berg bald deutlich weniger Rollkoffer zu hören sein.
Und wie sieht die Lage in Augsburg aus? Hier hat die Stadt bisher kaum Handlungsbedarf gesehen: Noch im November berichtete das Sozialreferat, man sehe momentan keinen Anlass, aufgrund von Zimmervermietungen über Airbnb eine Zweckentfremdungssatzung für Wohnungen zu erlassen. Dies würde die härtere Ahndung von wiederholten kurzfristigen Vermietungen mit gewerblichem Hintergrund zum Beispiel an Touristen ermöglichen. Bei Airbnb-Vermietungen handle es sich in Augsburg aber „um kein Massenphänomen“, sagte Sozialbürgermeister Stefan Kiefer (SPD). Der Stadt Augsburg zufolge gab es bisher nur zwei Beschwerden.
Florian Reil, dpa, Bernhard Junginger und Stefan Krog
In Berlin beginnt jetzt das große Zittern