Wenn das Zuhause plötzlich zu groß ist
Sunyela Roider lebt von der Grundsicherung, ihre Miete bezahlt das Jobcenter. Seit die jüngste Tochter ausgezogen ist, gilt ihre bisherige Bleibe als zu teuer. Welche Kriterien bei der Berechnung angelegt werden und wie Roider damit umgeht
Landkreis Für Sunyela Roider hält der Winter in diesem Jahr deutlich mehr Aufregung bereit als in früheren Jahren. Während ihr Projekt „Königsbrunn – mein Garten“, bei dem sie mit ehrenamtlichen Mitstreitern naturnahe Beete in der Stadt gestaltet, im Winterschlaf liegt, muss sich die Initiatorin um sich selbst kümmern und sich eine neue Wohnung suchen. Sie lebt von Hartz IV und für die Regeln des Jobcenters ist ihre jetzige Bleibe zu groß. Ein Problem, das außer ihr auch weitere Menschen im Landkreis haben.
Sunyela Roider kann aus gesundheitlichen Gründen ihrem Job als Sängerin nicht mehr nachgehen und lebt von der Grundsicherung. Bislang wohnte sie in einer Vier-Zimmer-Wohnung in einem Mehrparteienhaus in Bobingen. Doch eine ihrer beiden Töchter studiert mittlerweile in Wien, das zweite Kind ist vor Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Und für eine Person berechnet das Jobcenter in Bayern höchstens eine Woh- von 50 Quadratmetern. Bedeutet für Sunyela Roider: Sie muss eine neue Bleibe finden.
Das Jobcenter berechnet die angemessenen Wohnungsgrößen in einem Zwei-Schritte-Modell. Dabei werde zunächst die „abstrakte Angemessenheit“geprüft – damit werden die nackten Zahlen erfasst, ohne die konkreten Lebensumstände der Antragsteller zu erfassen. Maßgebliche Faktoren sind die Anzahl der Personen, die zusammen in eine Wohnung ziehen wollen, und die Referenzmiete für das jeweilige Gebiet, teilt das Jobcenter mit: „Dieser Wohnstandard muss bei Empfängern existenzsichernder Leistungen nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügen, ein gehobener Standard ist jedoch nicht beanspruchbar.“
Ein Rechenbeispiel: Für eine alleinstehende Person sind also maximal 50 Quadratmeter Wohnraum angemessen. In Königsbrunn läge die Referenzmiete bei 8,40 Euro pro Quadratmeter. Somit ergibt sich eine angemessene Kaltmiete von 420 Euro brutto. Wie dieses Geld wird, bleibe den Menschen selbst überlassen: Eine 80 Quadratmeter große Unterkunft mit einem Quadratmeter-Preis von 5,25 Euro wäre ebenso angemessen wie eine 40 Quadratmeter große Unterkunft bei einem Preis von 10,50 Euro pro Quadratmeter. Im zweiten Schritt wird dann noch geprüft, ob ein Einzelfall vorliegt, bei dem man von den Vorgaben abweichen muss. Zum Beispiel brauchen Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, mehr Wohnraum.
Etwa 30 Fälle hat das Jobcenter in diesem Jahr im Landkreis registriert, bei denen Personen aufgrund des Auszugs von Angehörigen mit der Problematik zu hoher Unterkunftskosten betroffen waren, teilt die Pressestelle des Landratsamtes mit. Bei zehn davon liegt es daran, dass die Kinder ausgezogen sind. „Die betroffenen Leistungsberechtigten werden sodann unter Nennung der konkreten Angemessennungsgröße heitsgrenzen auf die eingetretene Unangemessenheit der Unterkunft hingewiesen“, heißt es in der Mitteilung. Ihnen wird eine Frist gesetzt, in denen sie die Kosten für ihre Wohnung so senken müssen, dass es wieder in die Vorgaben passt – sei es durch einen Umzug in eine günstigere Wohnung, durch das Untervermieten von Zimmern oder eine Absprache mit dem Vermieter. Im Regelfall haben die Betroffenen sechs Monate Zeit.
Für Sunyela Roider kommt nur ein Umzug infrage. Sie braucht Platz nicht nur für ihre Habseligkeiten, sondern hat auch noch die Einrichtung ihrer Tochter in ihrer Wohnung, die in Wien ein möbliertes Zimmer gefunden hatte. Außerdem hat sie Erinnerungsstücke an die verstorbene Tochter, von denen sie sich nicht trennen will. Ihre Idealvorstellung wäre ein altes Häuschen mit Garten, das sie gegen eine geringe Miete bewohnen und im Gegenzug in Schuss halten kann. Die Zeit drängt durchaus, im April muss sie ihre derzeitige Wohnung verlassen haben.
Fälle, in denen Mieter substanausgegeben zielle Schwierigkeiten hatten, angemessene Räumlichkeiten zu finden, seien trotz des angespannten Wohnungsmarkts nicht bekannt, berichtet das Jobcenter. Um mit der Entwicklung der Mietpreise Schritt zu halten, werden die kommunalen Kriterien für angemessene Mieten in einem Rhythmus von zwei Jahren angepasst. Zuletzt sei das im Landkreis Augsburg Anfang Juli dieses Jahres passiert – „mit teils deutlichen Mietaufschlägen“. Findet ein Leistungsempfänger trotz „ernsthafter und intensiver Bemühungen“keine bedarfsgerechte Bleibe, könne die Frist auch verlängert werden.
Sunyela Roider sucht ernsthaft, intensiv und mittlerweile auch nicht mehr für sich allein, sondern mit ihrem Lebensgefährten Jürgen Müller – einem ebenfalls sehr stark ehrenamtlich engagierten Königsbrunner. Durch dessen Gehalt haben beide nun etwas mehr Möglichkeiten auf dem Wohnungsmarkt. „Schwierig ist es aber trotzdem. Wir sind nicht die Einzigen, die auf der Suche sind“, sagt Roider. Sie hofft, dass sich im neuen Jahr etwas Passendes findet.
Die Betroffenen haben sechs Monate Zeit