Schwabmünchner Allgemeine

Wenn das Zuhause plötzlich zu groß ist

Sunyela Roider lebt von der Grundsiche­rung, ihre Miete bezahlt das Jobcenter. Seit die jüngste Tochter ausgezogen ist, gilt ihre bisherige Bleibe als zu teuer. Welche Kriterien bei der Berechnung angelegt werden und wie Roider damit umgeht

- VON ADRIAN BAUER

Landkreis Für Sunyela Roider hält der Winter in diesem Jahr deutlich mehr Aufregung bereit als in früheren Jahren. Während ihr Projekt „Königsbrun­n – mein Garten“, bei dem sie mit ehrenamtli­chen Mitstreite­rn naturnahe Beete in der Stadt gestaltet, im Winterschl­af liegt, muss sich die Initiatori­n um sich selbst kümmern und sich eine neue Wohnung suchen. Sie lebt von Hartz IV und für die Regeln des Jobcenters ist ihre jetzige Bleibe zu groß. Ein Problem, das außer ihr auch weitere Menschen im Landkreis haben.

Sunyela Roider kann aus gesundheit­lichen Gründen ihrem Job als Sängerin nicht mehr nachgehen und lebt von der Grundsiche­rung. Bislang wohnte sie in einer Vier-Zimmer-Wohnung in einem Mehrpartei­enhaus in Bobingen. Doch eine ihrer beiden Töchter studiert mittlerwei­le in Wien, das zweite Kind ist vor Jahren bei einem Verkehrsun­fall ums Leben gekommen. Und für eine Person berechnet das Jobcenter in Bayern höchstens eine Woh- von 50 Quadratmet­ern. Bedeutet für Sunyela Roider: Sie muss eine neue Bleibe finden.

Das Jobcenter berechnet die angemessen­en Wohnungsgr­ößen in einem Zwei-Schritte-Modell. Dabei werde zunächst die „abstrakte Angemessen­heit“geprüft – damit werden die nackten Zahlen erfasst, ohne die konkreten Lebensumst­ände der Antragstel­ler zu erfassen. Maßgeblich­e Faktoren sind die Anzahl der Personen, die zusammen in eine Wohnung ziehen wollen, und die Referenzmi­ete für das jeweilige Gebiet, teilt das Jobcenter mit: „Dieser Wohnstanda­rd muss bei Empfängern existenzsi­chernder Leistungen nach Ausstattun­g, Lage und Bausubstan­z einfachen und grundlegen­den Bedürfniss­en genügen, ein gehobener Standard ist jedoch nicht beanspruch­bar.“

Ein Rechenbeis­piel: Für eine alleinsteh­ende Person sind also maximal 50 Quadratmet­er Wohnraum angemessen. In Königsbrun­n läge die Referenzmi­ete bei 8,40 Euro pro Quadratmet­er. Somit ergibt sich eine angemessen­e Kaltmiete von 420 Euro brutto. Wie dieses Geld wird, bleibe den Menschen selbst überlassen: Eine 80 Quadratmet­er große Unterkunft mit einem Quadratmet­er-Preis von 5,25 Euro wäre ebenso angemessen wie eine 40 Quadratmet­er große Unterkunft bei einem Preis von 10,50 Euro pro Quadratmet­er. Im zweiten Schritt wird dann noch geprüft, ob ein Einzelfall vorliegt, bei dem man von den Vorgaben abweichen muss. Zum Beispiel brauchen Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, mehr Wohnraum.

Etwa 30 Fälle hat das Jobcenter in diesem Jahr im Landkreis registrier­t, bei denen Personen aufgrund des Auszugs von Angehörige­n mit der Problemati­k zu hoher Unterkunft­skosten betroffen waren, teilt die Pressestel­le des Landratsam­tes mit. Bei zehn davon liegt es daran, dass die Kinder ausgezogen sind. „Die betroffene­n Leistungsb­erechtigte­n werden sodann unter Nennung der konkreten Angemessen­nungsgröße heitsgrenz­en auf die eingetrete­ne Unangemess­enheit der Unterkunft hingewiese­n“, heißt es in der Mitteilung. Ihnen wird eine Frist gesetzt, in denen sie die Kosten für ihre Wohnung so senken müssen, dass es wieder in die Vorgaben passt – sei es durch einen Umzug in eine günstigere Wohnung, durch das Untervermi­eten von Zimmern oder eine Absprache mit dem Vermieter. Im Regelfall haben die Betroffene­n sechs Monate Zeit.

Für Sunyela Roider kommt nur ein Umzug infrage. Sie braucht Platz nicht nur für ihre Habseligke­iten, sondern hat auch noch die Einrichtun­g ihrer Tochter in ihrer Wohnung, die in Wien ein möbliertes Zimmer gefunden hatte. Außerdem hat sie Erinnerung­sstücke an die verstorben­e Tochter, von denen sie sich nicht trennen will. Ihre Idealvorst­ellung wäre ein altes Häuschen mit Garten, das sie gegen eine geringe Miete bewohnen und im Gegenzug in Schuss halten kann. Die Zeit drängt durchaus, im April muss sie ihre derzeitige Wohnung verlassen haben.

Fälle, in denen Mieter substanaus­gegeben zielle Schwierigk­eiten hatten, angemessen­e Räumlichke­iten zu finden, seien trotz des angespannt­en Wohnungsma­rkts nicht bekannt, berichtet das Jobcenter. Um mit der Entwicklun­g der Mietpreise Schritt zu halten, werden die kommunalen Kriterien für angemessen­e Mieten in einem Rhythmus von zwei Jahren angepasst. Zuletzt sei das im Landkreis Augsburg Anfang Juli dieses Jahres passiert – „mit teils deutlichen Mietaufsch­lägen“. Findet ein Leistungse­mpfänger trotz „ernsthafte­r und intensiver Bemühungen“keine bedarfsger­echte Bleibe, könne die Frist auch verlängert werden.

Sunyela Roider sucht ernsthaft, intensiv und mittlerwei­le auch nicht mehr für sich allein, sondern mit ihrem Lebensgefä­hrten Jürgen Müller – einem ebenfalls sehr stark ehrenamtli­ch engagierte­n Königsbrun­ner. Durch dessen Gehalt haben beide nun etwas mehr Möglichkei­ten auf dem Wohnungsma­rkt. „Schwierig ist es aber trotzdem. Wir sind nicht die Einzigen, die auf der Suche sind“, sagt Roider. Sie hofft, dass sich im neuen Jahr etwas Passendes findet.

Die Betroffene­n haben sechs Monate Zeit

 ?? Foto: Claudia Deeney ?? So kennen viele Sunyela Roider in Königsbrun­n: Als Initiatori­n des Permakultu­r-Projekts „Königsbrun­n – mein Garten“hat sie mit ihren Mitstreite­rn in der Stadt Beete angelegt, auf denen es in der warmen Jahreszeit grünt und blüht. Jetzt braucht die engagierte Frau eine neue Wohnung.
Foto: Claudia Deeney So kennen viele Sunyela Roider in Königsbrun­n: Als Initiatori­n des Permakultu­r-Projekts „Königsbrun­n – mein Garten“hat sie mit ihren Mitstreite­rn in der Stadt Beete angelegt, auf denen es in der warmen Jahreszeit grünt und blüht. Jetzt braucht die engagierte Frau eine neue Wohnung.

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