Handball is coming home
Welcher normale Mensch, der vor die Aufgabe gestellt ist, einen Ball in ein Tor zu befördern, würde dafür die Füße einsetzen? Sonderlinge und Brasilianer ausgenommen, würde jeder den Ball mit der Hand ins Tor werfen. Genau wie Handballer es tun. Darüber hinaus ist ihr Spiel Artistik, Zauber, Kunst und Drama.
Menschen fliegen auf geheimnisvollen Routen durch Räume – und ehe unsereins verstanden hat, warum sie das tun, saugt ihre Wurfhand den Ball an, zappelt das Runde im Eckigen. Wem das zu schnell geht, der sieht den Flieger noch immer in der Luft stehen, weil es eben eine Weile dauert, bis er aus gefühlten 4,80 Metern Höhe wieder Boden unter die Füße bekommt. Handball ist ein faszinierender und mitreißender Sport – erst Recht auf jenem Niveau, auf dem er sich in den WM-Wochen der Welt präsentiert. Das Beste aus deutscher Sicht: Die Handball-Welt gastiert bei uns (ein bisschen auch in Dänemark). Die Aussichten auf ein neues Wintermärchen, wie es die Deutschen 2016 mit dem Gewinn des EM-Titels entfacht haben, sind günstig. Deutschland ist HandballLand. Handball is coming home. Viele der besten Akteure der Welt spielen hier. Titelfavoriten aber sind andere Nationen. Franzosen, Spanier, Skandinavier.
Die deutsche Mannschaft wird wachsen müssen, will sie, wie zuletzt 2007, wieder Weltmeister werden. Sie kommt aus der zweiten Reihe. Mit einem Spielmacher (Martin Strobel) aus dem Unterhaus, ohne Rückraumkante wie den verletzten Julius Kühn und ohne den gelernten Rechtsaußen und sicheren Siebenmeter-Schützen Tobias Reichmann, den Bundestrainer Christian Prokop taktischen Gedankenspielen opferte.
Prokop bewegt sich hier, wie bei allen Personalentscheidungen, auf dünnem Eis. Den Handballfans ist noch in bitterer Erinnerung, wie sich der 40-Jährige mit seinem EMKader 2018 verzockt hat. Er hat Stammkräfte gestrichen und mit Debütanten experimentiert. Ein Risiko ohne Not, das er später gezwungenermaßen korrigierte. Da aber war das Turnier schon vergeigt. Der Europameister wurde enttäuschender Neunter. Der überfordert wirkende Prokop stand vor der Ablösung – und durfte überraschend bleiben. Eine weitere Chance wird er nicht bekommen. Auch Prokop muss in den nächsten Wochen wachsen.