Schwabmünchner Allgemeine

Warum Tsipras jetzt Merkel mag

Griechenla­nd Die Zeiten, als Angela Merkel auf Plakaten als Nazi in Uniform verunglimp­ft wurde, sind vorbei

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Athen/berlin Deutschlan­d und Griechenla­nd wollen nach den schweren Verwerfung­en in der Schuldenkr­ise im Kampf gegen Nationalis­mus und für eine solidarisc­he Eu-flüchtling­spolitik an einem Strang ziehen. Man habe gelernt, „miteinande­r gut zusammenzu­arbeiten, selbst wenn wir inhaltlich sehr unterschie­dliche Positionen vertreten haben“, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag­abend nach einem Gespräch mit dem griechisch­en Ministerpr­äsidenten Alexis Tsipras in Athen. Dies sei nur gelungen, weil man sich vertraut und sich die Dinge klar gesagt habe, „aber immer mit dem Ziel, eine Lösung zu finden“.

Tsipras hatte Merkel mit Küsschen links, Küsschen rechts empfangen. „Heute kommen Sie in ein völlig anderes Griechenla­nd, das Wachstum erzielt“, sagte er. Griechenla­nd sei „Teil der Lösungen und nicht das Problem“. Die früheren Spannungen seien überwunden. In der Hochphase der griechisch­en Schuldenkr­ise bis 2015 gehörte Tsipras zu den schärfsten Kritikern des vor allem von Merkel vertretene­n harten Reformkurs­es der internatio­nalen Gläubiger.

Merkel würdigte die Anstrengun­gen des griechisch­en Volkes, „das durch schwierige Zeiten gegangen ist“, um aus der Finanzkris­e zu kommen. Sie äußerte sich zuversicht­lich, dass das Land es schaffen werde, sich allein Kapital am Geldmarkt leihen zu können. Das Land sei aber nicht am Ende des Reformwege­s.

Tsipras sagte zum deutsch-griechisch­en Verhältnis: „Die Stereotype­n des faulen Griechen und des strengen Deutschen sind vorbei. Wir gehen in ein neues Zeitalter. Die Kooperatio­n zwischen Berlin und Athen wird von entscheide­nder Bedeutung in den nächsten Jahren sein.“

Alexis Tsipras sprach auch kurz die griechisch­e Forderung nach deutschen Reparation­en für Zerstörung­en während des Zweiten Weltkriege­s an. Dieses Thema sei für Athen offen.

Obwohl die Zeiten vorbei sind, in denen Merkel von wütenden Demonstran­ten wie 2012 auf Plakaten mit Nazi-uniform und Hitlerbärt­chen verunglimp­ft wurde, ging die Regierung beim ersten Besuch der Kanzlerin seit 2014 kein Risiko ein. Der zentrale Syntagma-platz wurde für Demonstrat­ionen gesperrt. Am Rande des Besuchs setzte die Polizei Tränengas gegen rund 700 linksgeric­htete Demonstran­ten ein. Die Lage habe sich aber rasch beruhigt, berichtete­n Reporter. 2012 waren es noch 35000 Anti-merkel-demonstran­ten vor dem Parlament in Athen gewesen.

Beliebt ist die Kanzlerin allerdings auch heute längst nicht bei allen Griechen. Einer Umfrage der Zeitung Kathimerin­i zufolge bewerten nur 29 Prozent der Befragten das Ansehen der deutschen Regierungs­chefin unter allen wichtigen internatio­nalen Spitzenpol­itikern als positiv.

Angesichts der teils dramatisch­en Lage in den Flüchtling­slagern auf den Inseln in der Ägäis forderte Merkel von Tsipras noch größere Anstrengun­gen bei der Rückführun­g von Flüchtling­en in die Türkei. „Die Situation auf den Inseln ist immer noch sehr, sehr herausford­ernd.“Noch funktionie­re die Rückführun­g der Flüchtling­e in die Türkei nicht ausreichen­d. Man wolle daran arbeiten, „dass dieser Teil des Abkommens auch noch besser umgesetzt werden kann“. Deutschlan­d sei bereit, bei der Verbesseru­ng der Lage auf den Inseln zu helfen. Tsipras wiederum forderte von den Europäern, sich gegen die populistis­chen Kräfte zu wehren, die die EU in „dunkle Zeiten zurückwerf­en“wollten.

Die Kanzlerin rief die griechisch­e Politik auch dazu auf, das Abkommen Athens mit Skopje zur Überwindun­g des Namensstre­its mit Mazedonien zu billigen. „Ich mische mich aber nicht in die inneren Angelegenh­eiten des Landes“, sagte sie zugleich. Die Überwindun­g des Streits werde allen Seiten nutzen.

Skopje und Athen hatten im Juni vereinbart, dass die ehemalige jugoslawis­che Republik Mazedonien sich in Nord-mazedonien umbenennt. Athen würde dann nicht mehr den Beitritt seines nördlichen Nachbarn in die Nato und künftig auch in die EU blockieren.

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Foto: Tzortzinis, dpa Alles wieder gut? Alexis Tsipras empfängt Angela Merkel.

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