Ruft Trump bald den Notstand aus?
Noch immer gibt es keine Einigung über den Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko. Nun wächst die Sorge, dass der Us-präsident versuchen könnte, das Parlament zu umgehen
Washington Nach lediglich 14 Minuten stürmte Donald Trump aus dem Situation Room des Weißen Hauses. „Eine totale Zeitverschwendung“, empörte sich der amerikanische Präsident demonstrativ bei Twitter. Der vorerst letzte Versuch einer Kompromissfindung mit den Führern der demokratischen Partei im Haushaltsstreit ist gescheitert.
Viele Beobachter hatten den Eindruck, dass der theatralische Abgang geplant war. Er fügt sich nämlich perfekt in die Inszenierung, die der Präsident derzeit um sein Lieblingsprojekt einer Mauer zu Mexiko veranstaltet. Bei dem Haushaltsstreit, der seit drei Wochen wichtige Teile der Verwaltung lahmlegt und 800000 Bundesbeschäftigte um ihren Lohn bringt, geht es ihm nicht um irgendwelche Finanzierungsdetails. Sein einziges Anliegen ist die Bewilligung von 5,7 Milliarden Dollar durch den Kongress für den Mauerbau. Doch die Demokraten stellen sich quer. Wegen des Streits sagte Trump nun sogar seine geplante Reise zum Weltwirtschaftsforum in Davos Ende Januar ab.
In drei Akten hat Trump diese Woche den Druck erhöht. Nun wächst in Washington die Sorge, dass er als nächsten Schritt wegen des angeblichen Massenansturms auf die Südgrenze den „nationalen Notstand“ausruft und den Bau der Grenzanlage ohne das Parlament mit Sondervollmachten anordnet. Das wäre verfassungsrechtlich äußerst bedenklich und würde das System der Gewaltenteilung in den USA ins Wanken bringen. Trump selbst kokettiert seit Tagen mit der Möglichkeit. Am Donnerstag titelte das konservative Wall Street Journal, die Ausrufung des Notstands werde immer wahrscheinlicher. Damit würde das von Trump gemeinsam mit seinem rechten Lieblingssender Fox inszenierte Mauertheater einen dramatischen Höhepunkt erleben. Im ersten Akt hatte der Präsident am Dienstag in einer Fernsehansprache in düsteren Farben, aber präsidialem Ton die angeblich schlimme Menschenrechtsund Sicherheitslage an der Grenze zu Mexiko beschrieben. Er gab vor, den Demokraten entgegenzukommen, weil er neuerdings keinen Betonwall, sondern einen gigantischen Zaun aus Stahlpfeilern errichten will (was die Opposition nie gefordert hatte), und rief das Parlament eindringlich zur Unterstützung auf.
Im zweiten Akt empfing Trump am Mittwoch die Führer der Demokraten im Repräsentantenhaus und Senat, Nancy Pelosi und Chuck Schumer. Offenbar hatten die Strategen des Präsidenten gehofft, die beiden Politiker spalten zu können und Pelosi gegen Zugeständnisse beim Einwanderungsrecht eine Zustimmung zur Mauer schmackhaft machen zu können. Doch die blieb hart. Schumer beklagte hinterher: „Wir haben wieder einen Wutanfall erlebt, weil er nicht das bekommen hat, was er will, und dann hat er das Treffen verlassen.“
Tatsächlich sind fast alle Argumente, die Trump vorbringt, verdreht oder überzeichnet. Zwar gibt es Probleme an der Südwestgrenze der USA. Doch die illegale Zuwanderung liegt deutlich unter dem Wert früherer Jahrzehnte. Auch werden die allermeisten Terrorverdächtigen nicht hier, sondern an Flughäfen festgenommen, und auch Drogen werden meist über offizielle Grenzstationen geschmuggelt.
Im dritten Akt schließlich reiste Trump am Donnerstag nach Texas, um sich in dem Grenzort Mcallen mit Grenzbeamten zu treffen und am Rio Grande selbst ein Bild von der Lage zu machen. Die USA bräuchten eine Barriere, um Menschenschmuggler abzuhalten, bekräftigte er. Vor einer Grenzschutzstation hatten die Sicherheitskräfte auf einem Tisch Drogen, Waffen sowie eine Plastiktüte mit Geld aufgereiht, um zu illustrieren, was an der Grenze beschlagnahmt wird.
Der, wenn man so will, Epilog in diesem Stück schmeichelt Trump so gar nicht. Die Us-satiresendung „The Daily Show“grub ein Video aus dem Jahr 2004 aus, als ihm die Wagner-hochschule in New York die Ehrendoktorwürde verlieh. Bei einer Rede zu diesem Anlass sprach Trump damals vor Absolventen der Hochschule und versorgte diese mit allerlei Lebenstipps für die weitere Zukunft („Gebt 100 Prozent“, „Seid diszipliniert“, „Lernt jeden Tag etwas“). Einer seiner wichtigsten Ratschläge zum Schluss war: „Gebt niemals auf.“Und weiter – als bildhafte Beschreibung: „Wenn ihr vor einer Betonwand steht, geht hindurch, klettert drüber, geht dran vorbei, aber kommt vor allem auf die andere Seite dieser Mauer.“
Sollte der Stillstand in Teilen der Us-regierung über den Freitag hinausgehen, wäre ein neuer Rekord erreicht: mehr als drei Wochen. Der bislang längste „Shutdown“hatte über den Jahreswechsel 1995/1996 eine Dauer von 21 Tagen.