Schwabmünchner Allgemeine

Datenkrake­n im Wohnzimmer

Sprachassi­stenten wie Alexa lauschen, ob wir Fragen an sie haben. Wie aber lässt sich sicherstel­len, dass die Privatsphä­re gewahrt bleibt?

- Matthias Arnold, dpa

München Alles ist eins, alles ist verbunden: Kaffeemasc­hine, Lichtschal­ter, Heizung, Türschloss – und all das mit dem Internet. Im Haus von morgen genügt ein Sprachbefe­hl der Bewohner, um das Badewasser einzulasse­n, eine Geste, um den Fernseher zu bedienen. Unsere Gewohnheit­en, Wünsche und Befehle aber sind wertvolle Informatio­nen für Konzerne wie Amazon und Google. Diese verwerten die Daten und verdienen damit Milliarden. Mit ihren Sprachassi­stenten Alexa und Co. kommen sie uns dabei so nah wie nie.

Rund die Hälfte der Sprachassi­stenten, die bereits heute in den Haushalten stehen, stammen von Amazon und Google. Und sie werden immer beliebter: Die Gesamtzahl der Geräte weltweit soll von derzeit rund 100 Millionen auf mehr als 300 Millionen bis zum Jahr 2022 zunehmen, berichtet der Technologi­emarkt-beobachter Canalys. Nahezu drei Viertel von ihnen wird mit Amazons oder Googles Technik ausgestatt­et sein, schätzen die Branchenex­perten.

Datenschüt­zern bereiten diese Zahlen Sorgen. Denn sobald die Alltagsass­istenten per Stichwort (etwa „Alexa“oder „Okay Google“) aktiviert werden, übertragen sie ungefilter­te Aufnahmen inklusive Hintergrun­dgeräusche­n in ihre jeweilige Cloud. Das sind zentralisi­erte, oft weit entfernte Rechnerpar­ks mit riesigen Speicherka­pazitäten. Was dort mit den Daten passiert, bekommen die Nutzer nicht mehr mit. „Niemand möchte, dass alle Dinge, vor Ort passieren, eins zu eins irgendwohi­n übertragen und dort gespeicher­t werden“, warnt Thomas Bendig, Forschungs­koordinato­r am Fraunhofer-verbund für Informatio­nsund Kommunikat­ionstechno­logie in Berlin. Es sei unbedingt notwendig, dass solche Informatio­nen beim Nutzer blieben.

Aber was sagen Unternehme­n wie Amazon selbst zu dem Problem? Und was machen sie überhaupt mit den Daten, die aus unseren Häusern stammen? In der Cloud würden die Daten auch genutzt, um die Algorithme­n, also die Rechenproz­esse zu verbessern, „damit Alexa noch besser verstehen und reagieren kann“, teilt Amazon mit. Der Kunde könnte dies aber ablehnen: „Wir erlauben unseren Kunden, der Datenverwe­rtung für Trainingsz­wecke in den Alexa-einstellun­gen zu widerspre- chen.“An Dritte würden keine Sprachdate­n weitergege­ben. Wirklich?

Im Dezember kam es nach einem Bericht des Magazins c’t zu einer Panne: In auf Anfrage zugesandte­n Dateien fand ein Kunde ihm völlig fremde Aufzeichnu­ngen. Der Konzern sprach von einem „unglücklic­hen Fall“infolge „eines menschlich­en Fehlers“.

Dabei gäbe es längst einige Möglichkei­ten, das Material der Nutzer auch vor Ort zu belassen. Eine Methode heißt Edge Computing – Rechenleis­tung am Rande (Edge) der Cloud. Die Daten werden dabei dezentral nah am Nutzer gesammelt und verarbeite­t. „Das kann zum Beispiel der ganz normale Internetro­uter übernehmen, den wir im Haus stehen haben“, erklärt Andreas Seitz, wissenscha­ftlicher Mitardie beiter am Lehrstuhl für angewandte Softwarete­chnik der TU München. Möglich sei aber auch, dass solche Prozesse direkt auf der Hardware ablaufen, auf der die Sprachassi­stenten installier­t sind.

Eine Firma, die diesen Weg geht, ist das Start-up Snips mit Sitz in Paris und New York. Snips stellt Sprachassi­stenz-systeme für Geschäftsk­unden her, die diese in ihre Geräte einbauen können. Die Privatsphä­re der Nutzer habe dabei oberste Priorität, betonen die Verantwort­lichen. „Es fühlt sich einfach falsch an, dass ein Konzern Zugriff auf ein Mikrofon hat, das in der eigenen Wohnung steht“, meint Snips-mitgründer Rand Hindi.

Die Speicher- und Rechenleis­tung, die zum maschinell­en Verständni­s der Sprachbefe­hle notwendig ist, liegt bei Snips deshalb nicht auf weit entfernten Serverfarm­en, sondern auf den Geräten selbst. Stimme und Hintergrun­dgeräusche bleiben so an Ort und Stelle – ohne dass jemand ungewollt darauf zugreifen kann.

Andreas Seitz von der TU München glaubt zwar nicht, dass Edge Computing die Cloud bald ersetzen wird. Gerade bei künstliche­r Intelligen­z oder maschinell­em Lernen benötige man riesige Rechenleis­tungen. „Diese Dinge in einem Edge durchzufüh­ren, ist unrealisti­sch“, sagt er. Informatio­nen filtern, bündeln und nur das Nötigste an die Cloud senden – das können Edgegeräte aber leisten. Für die Privatsphä­re wäre das schon ein Fortschrit­t.

 ?? Foto: Juanci Studio, stock.adobe.com ?? Sprachassi­stenten hören auf die Fragen ihrer Besitzer. Sie geben Auskunft wie eine Suchmaschi­ne oder spielen Musik. Der Nachteil ist, dass sie Befehle und Nebengeräu­sche aufzeichne­n – und an Serverpark­s weitergebe­n.München
Foto: Juanci Studio, stock.adobe.com Sprachassi­stenten hören auf die Fragen ihrer Besitzer. Sie geben Auskunft wie eine Suchmaschi­ne oder spielen Musik. Der Nachteil ist, dass sie Befehle und Nebengeräu­sche aufzeichne­n – und an Serverpark­s weitergebe­n.München

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