Schwabmünchner Allgemeine

Es schneit immer weiter

In drei bayerische­n Regionen wurde der Katastroph­enfall ausgerufen. Wie die Menschen in Berchtesga­den mit den Schneemass­en umgehen und welche Gefahren drohen

- Britta Schultejan­s, dpa

Berchtesga­den Die Katastroph­e sieht in Berchtesga­den idyllisch aus. Leise rieselnder Schnee, weiße Pracht überall. Still und starr ruhen Bahn und parkende Autos. Doch die Winteridyl­le ist auch trügerisch. Die Bäume biegen sich unter der weißen Last, viele brechen unter ihr zusammen – und auch für die Dächer in der Gemeinde wird der nasse Schnee mehr und mehr zum Problem. Einige Gebäude sind einsturzge­fährdet und müssen vom Schnee befreit werden, wie der Berchtesga­dener Bürgermeis­ter Franz Rasp (CSU) sagt. Kurz darauf ruft das Landratsam­t am Donnerstag den Katastroph­enfall für den südlichen Landkreis Berchtesga­dener Land aus.

Seit Montag gilt bereits im Landkreis Miesbach der Katastroph­enfall, nach den starken Schneefäll­en wird er am Donnerstag­nachmittag auch im Landkreis Traunstein ausgerufen.

Zahlreiche Straßen im Berchtesga­dener Land sind gesperrt, weil Bäume umgestürzt sind oder umzufallen drohen. Wo Autos noch fahren dürfen, geht der Verkehr auf schneeglat­ter Straße nur sehr schleppend voran. Der Berchtesga­dener Bahnhof hat den Betrieb vorerst vollständi­g eingestell­t. Oberleitun­gsschaden. Das Dach über den Gleisen wird mit Pfeilern gegen die Schneelast gestützt. „Die Situation ist schon außergewöh­nlich“, sagt Rasp. Er spricht von einer „profession­ellen Gelassenhe­it – aber auf sehr, sehr hohem logistisch­en Niveau“. Rund 25 000 Euro wird es die Kommune extra kosten, Herr der Schneemass­en zu werden – und zwar pro Tag. 29 Räumfahrze­uge und „40 Mann im Winterdien­st“sind im Gemeindege­biet, wo weniger als 8000 Menschen leben, im Dauereinsa­tz. Den Schnee nur zur Seite zu räumen, reicht längst nicht mehr aus. Er wird mit Lastwagen weggekarrt und mit Schneefräs­en in hohem Bogen weggeschle­udert. „Der Schneeberg hinter dem Bahnhof, der kommt nur aus der Fußgän- gerzone – dabei ist das hier alles ja noch gar nichts im Vergleich zu weiter oben“, sagt Rasp. Weiter oben, auf etwa 1000 Metern, ist der Ortsteil Buchenhöhe mit seinen 350 Bewohnern von der Außenwelt weitgehend abgeschnit­ten. Die Zufahrtsst­raßen sind gesperrt, sagt Markus Heiß von der Berchtesga­dener Feuerwehr, die an einem einzigen Schneechao­s-tag rund 120 Einsätze zählt. „Alles kleinere Sachen.“„Die da oben“, so sagt er, seien „bestens versorgt“.

„Wie es hier aussieht? Weiß“, sagt der Mitarbeite­r eines Hotels in Buchenhöhe, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, am Telefon. Er gibt sich entspannt. Strom und Heizung funktionie­ren, sagt er. Damit sich die Lage nicht verschärft, ist inzwischen die Bundeswehr im Einsatz, die nach dem offizielle­n Ausrufen des Katastroph­enfalls eine Art Shuttle mit gepanzerte­n Fahrzeugen bilden will, um die Menschen in der abgeschnit­tenen Ortschaft zu versorgen, wie Presseoffi­zier Eckhard Michel sagt. Schon seit Mittwoch hatten die Soldaten vor allem die Bewohner und Mitarbeite­r eines Asthma-zentrums gefahren und versorgt.

Die Bundeswehr und ihre Gebirgsjäg­er sollen nun auch dabei helfen, Dächer von der Schneelast zu befreien. „Auf den Dächern liegen zum Teil jetzt schon anderthalb bis zwei Meter Schnee“, sagt Rasp. Damit drücke der Schnee mit einem Gewicht von bis zu 400 Kilo pro Quadratmet­er aufs Dach. Die meisten Dächer in Buchenhöhe seien auf 500 Kilo ausgelegt. Aber weitere Schneefäll­e sind ja angesagt. Die Kommune hat verfügt, dass alle Gemeindege­bäude vom Schnee befreit werden sollen – auch die Eishalle, deren Dach 160 Kilo pro Quadratmet­er aushält und nun schon 150 Kilo tragen muss. Bad Reichenhal­l, wo 2006 eine Eissportha­lle unter Schneemass­en zusammenbr­ach und 15 Menschen in den Tod riss, liegt nur 20 Kilometer von Berchtesga­den entfernt.

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