Als Deep Purple im Moritzsaal rockte
Die 1000-jährige Geschichte der Kirche St. Moritz hat auch einen anderen historischen Moment: Deep Purple hatte 1969 im Saal den ersten Liveauftritt in Deutschland – als Teil einer viertägigen Party
Die katholische St.-moritz-kirche in Augsburg feiert im Jahr 2019 ihr tausendjähriges Bestehen. Ein ganzes Jahr begeht die Kirche dieses besondere Fest. Nur 50 Jahre müssen wir zurückblicken, um einem pophistorischen Ereignis nachzuspüren, das auch mit St. Moritz zusammenhängt. Genauer mit dem Moritzsaal. Es geht um Deep Purple, die Wegbereiter des „Hardrock“. Sie spielten 950 Jahre nach der Gründung von St. Moritz, am 9. Oktober 1969, im Pfarrsaal der Kirche. So weit, so bekannt. Nicht bekannt: Es war ihr erster Live-auftritt in Deutschland überhaupt. Premiere in Augsburg. Die drei Monate vorher neu formierte Band war zu diesem Zeitpunkt aber alles andere als berühmt. Am 2. August 1969 wurden im Beatclub in Bremen zwei Songs mit der Band im Play-back-verfahren aufgezeichnet. Am 25. August wurde der Beatclub in der ARD gesendet. Deep Purple spielten „Hallelujah“. Es muss dem damaligen Stadtsparkassen-werbeleiter Wolfgang G. Tomas wie ein Geschenk des Himmels vorgekommen sein, denn er plante eine viertägige „Beatnon-stop-party“im Pfarrsaal von St. Moritz, um das Sparkassenimage „bei den jungen Leuten zu heben“. Ein Hallelujah für St. Moritz. Neben Deep Purple hatte Wolfgang G. Tomas noch andere illustre Gäste geladen. Ilja Richter, Mike Lewis von Afn-radio, der Augsburger Disc-jockey (DJ) Theo – und „Moby Dick“-kneipenpächter Waldemar „Waldi“Hartmann, war ebenfalls als DJ gebucht. Weiter im Programm fanden sich „The Chillum“– eine sehr obskure Psychedelic-rockband
Waldemar Hartmann war als Discjockey dabei
– und die Beatband „Die Anderen“, mit Schlagersänger Jürgen Drews. Die Gruppe löste sich Ende 1969 auf. Deep Purple standen noch am Anfang ihrer Karriere.
Ex-tv-sportmoderator „Waldi“Hartmann hat diese Veranstaltung sehr beeindruckt: „Ich erinnere mich noch gut an den Abend. Ilja Richter war der Star. Er moderierte als 16-Jähriger die Zdf-sendung ,4-3-2-1‘, die ab 1971 als ,Disco‘ ein Quotenhit wurde und es bis ins Abendprogramm brachte. Mit Ilja auf der Bühne zu stehen war für mich der Hammer.“Auch Jürgen Hermann vom Big Apple in München sei dabei gewesen; er habe danach bei Bayern 3 jahrzehntelang als „der“Rockexperte neben Fritz Egner gegolten. Nicht alles lief glatt, erinnert sich Hartmann: „Ich weiß noch, wie plötzlich die Lautsprecherboxen streikten und Ilja und ich als ,lebende Boxen‘ selbst sangen. Leider habe ich den Auftritt von Deep Purple verpasst. Ich musste ja ,arbeiten‘ im Moby Dick. Eine geile Zeit!!!“Deep Purple ging es zu der Zeit nicht so gut wie „Waldi“.
Die dritte LP, sie hieß „Deep Purple“, noch mit der alten Besetzung aufgenommen, war nicht nur ein Flop, sie wurde verschwiegen. Die Band wusste nicht recht, in welche Richtung es gehen sollte. Und es gab kaum Unterstützung durch die Plattenfirma. Die Band spielte Coverversionen von bekannten Stücken, musizierte mit dem Royal Philharmonic Orchestra in der Royal Albert Hall und die Veranstalter wussten nicht, was sie da auf die Bühne bekamen – Rocker oder Philharmoniker? Bei ihrem Auftritt im Moritzsaal, in dem auch schon Roy Black und die Cannons spielten, waren sie aber auf dem Weg zu echten Rockstars. Wenn auch ihre Singles zu der Zeit noch aus etwas lauen Coversongs, wie „Kentucky Woman“und „Hush“bestanden, so waren „Child in Time“und „Speed King“bereits komponiert und „Wring That Neck“, diese kleine Gitarrenorgie von Ritchie Blackmore, dürfte die Beatgemeinde im Moritzsaal so richtig durchgeschüttelt haben. Der 1988 verstorbene Wolfgang G. Tomas wäre sicher begeistert, wenn er wüsste, dass seine „Hallelujahband“aus dem Beatclub immer noch „on Tour“ist und er die Stadt um einen pophistorischen Moment reicher gemacht hat.