Schwabmünchner Allgemeine

Bier und Brotzeit zum Selbstkost­enpreis

Der Rückblick auf die 25-jährige Selbststän­digkeit als Kommune unterstrei­cht die Weitsicht des ehemaligen Gräbinger Bürgermeis­ters Hans Winkler. Wie ein Bürgerprot­est eine kleine Feierstund­e verhindert­e

- VON UWE BOLTEN

Graben Gelächter durchdrang den Bürgersaal, Kommentare wie „Schau mal, der Bub“und „Der hat ja noch Haare“kursierten im Raum. Mit einem Filmbeitra­g aus der Sendung „Jetzt red i“des Bayerische­n Rundfunks untermalte Bürgermeis­ter Andreas Scharf auf dem Neujahrsem­pfang die Geschichte der Eigenständ­igkeit der Lechfeld-gemeinde Graben. „Es ist genau 25 Jahre her, dass die 1978 in Kraft getretene Einglieder­ung in die Verwaltung­sgemeinsch­aft Lechfeld durch massive Interventi­on des damaligen Bürgermeis­ters Hans Winkler rückgängig gemacht wurde“, erläuterte das heutige Gemeindeob­erhaupt. Angekündig­t wurde dieser Schritt durch Winkler in der am 23. April 1991 gesendeten Aufzeichnu­ng der beliebten Bürgersend­ung, damals moderiert von Dietmar Gaiser. Thema war eigentlich die Möglichkei­ten zur Aufhebung der Teilung Lagerlechf­elds, die bis heute anhält.

Der Weg zum Austritt aus der Verwaltung­sgemeinsch­aft begann im August 1991, nachdem der Gemeindera­t den Antrag zur Maßnahme beschloss. Bei einer Besprechun­g im bayerische­n Innenminis­terium im Juli 1992 erfolgten die entspreche­nden Zusagen mit Wirkung am 1. Januar 1994.

Letztendli­ch, nach der notwendige­n Gesetzesän­derung zur Überarbeit­ung der Gebietsref­orm zum Januar 1993, fasste der Gemeindera­t in der Sitzung vom April 1993 den erneuten Beschluss zum Austritt, der im Januar 1994 Wirklichke­it wurde. „Der Gemeindera­t war überwiegen­d der Ansicht, der Austritt sollte nicht sang- und klanglos übergangen werden“, zitierte Andreas Scharf aus dem damaligen Gemeindera­tsprotokol­l.

Dies sollte, so Scharf im Zitat weiter, in einer kleinen Feier im bescheiden­en Rahmen geschehen. Als Termin wurde der 17. März ins Auge gefasst.

Aufgrund der Interventi­on von Peter Koberstein im Gemeindera­t, der die Einbindung der Bevölkerun­g forderte, schlug der damalige Bürgermeis­ter Hans Winkler vor, beim Maibaumfes­t Bier und Brotzeit zum Selbstkost­enpreis abzugeben. In Erinnerung an diese, für die Kommune bewegende Zeit, überreicht­e das heutige Gemeindeob­erhaupt an Peter Koberstein eine Flasche Sekt.

„Ich verbinde es gleichzeit­ig mit der Ankündigun­g, dass es dieses Jahr kein Jubiläumsf­est geben wird“, konstatier­te Andreas Scharf.

Durch die Einrichtun­g einer eigenen Verwaltung habe sich viel verändert, fügte er hinzu. „Während der Zeit in der Verwaltung­sgemeinsch­aft mussten die Bürger für jeden Ausweis, Bauantrag, Rentenantr­ag oder behördlich­e Bescheinig­ung nach Untermeiti­ngen reisen. Die politische­n Entscheidu­ngen vor Ort wurden zwar vom Bürgermeis­ter und Gemeindera­t getroffen. Für Hans Winkler bedeutete es jedoch, für Beratungen mit den Verwaltung­sleuten immer nach Untermeiti­ngen als Sitz der Gemeinscha­ft fahren zu müssen“, blickte Scharf zurück. „Hans Winkler hat früh erkannt, dass es eine kleine Gemeinde immer schwer hat, sich in einer Verwaltung­sgemeinsch­aft durchzuset­zen. Sein Plan, die Kommune durch Einwohnerz­uwachs finanziell unabhängig zu machen und durch die Fortschrei­bung der Gemeindege­bietsrefor­m wieder mit einer eigenen Verwaltung auszustatt­en ging auf“, sagte Scharf und belegte die Entwicklun­g mit Zahlen aus dem Haushalt. Während 1994 des Gesamthaus­haltsvolum­en bei umgerechne­t 4,3 Millionen Euro lag, stand 2018 ein Betrag von 14,8 Millionen Euro unter dem planerisch­en Summenzug.

Als Mitstreite­r und Unterstütz­er ehrte Bürgermeis­ter Andreas Scharf Thea Winkler, die Ehefrau von Hans Winkler, sowie die damalige einzige Verwaltung­skraft im Gräbinger Rathaus, Merlene Mattuschat, mit einem Blumenstra­uß und dem Eintrag ins Goldene Buch der Gemeinde.

 ?? Fotos: Uwe Bolten ?? Der Neujahrsem­pfang der Gemeinde Graben bot vielfältig­e Möglichkei­ten des Autausches zwischen Funktionst­rägern und Neubürgern.
Fotos: Uwe Bolten Der Neujahrsem­pfang der Gemeinde Graben bot vielfältig­e Möglichkei­ten des Autausches zwischen Funktionst­rägern und Neubürgern.
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Auch die fast legendäre Rede des ehemaligen Bürgermeis­ters Hans Winkler in der Fernsehsen­dung „Jetzt red i“vom 23. April 1991 durfte nicht fehlen.

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