Die Uhr ist weg: Dorf geht auf Verbrecherjagd
Serie Wenn die Landwirte aus dem Haus sind, haben Einbrecher leichtes Spiel. Manchmal geht es ihnen auch an den Kragen
Dinkelscherben/Hairenbuch Als die Familie von Kaspar Reif aus dem Dinkelscherber Ortsteil Saulach im Oktober 1896 von der Feldarbeit heimkehrte, traute sie ihren Augen nicht: Türen und Schränke waren aufgebrochen. Jemand war in ihr Anwesen eingestiegen. 179 Mark Bargeld, zwei silberne Uhrenketten, vier Goldringe und eine Brosche im Wert von rund 66 Mark waren verschwunden. Hausherr Kaspar Reif und sein Sohn Andreas hatten den Eindruck, dass der Einbruch nicht lange her ist. Deshalb nahmen sie die Verfolgung auf. Ein gefährliches Unterfangen.
Die beiden Männer holten tatsächlich die Kriminellen ein. Einer der Einbrecher feuerte aus einem Revolver einen Schuss auf die Verfolger ab, verfehlte jedoch sein Ziel. Auf die Hilferufe von Vater und Sohn eilten noch einige Männer aus dem Ortsteil Ettelried herbei. Gemeinsam gelang es, den Haupttäter zu überwältigen. In der Zeitung hieß es damals: „Der Gauner führte alles Entwendete, selbst den Geldbetrag, bei sich. Ferner hatte er in seinem Reisekoffer Brechwerkzeuge aller Art. Da er sich schriftlich nicht legitimieren konnte, gab er an, Ferdinand Kagerer zu heißen und lediger Metzger zu sein. Derselbe wurde darauf folgenden Tages in das Amtsgerichtgefängnis eingeliefert, wo er seiner Bestrafung demnächst entgegensehen wird. Seinem Komplizen gelang es, in den nahen Wald zu entkommen. Kagerer bezeichnete ihn als den ledigen Schriftsetzer Johann Müller von Ulm, welcher während des Einbruchs bloß aufgepasst haben soll. Nach ihm wird eifrig gefahndet.“Ob er jemals gefasst wurde und zu welcher Strafe der Einbrecher verurteilt wurde, ist nicht bekannt. Dafür ist ein ähnlicher Vorfall aus dem etwa 30 Kilometer entfernten Hairenbuch bei Waltenhausen dokumentiert. Der Krumbacher Bote berichtete im August 1895, wie das ganze Dorf zusammenhalf, um einen anderen Einbruch aufzuklären.
400 Mark sowie wertvolle Goldund Silbergegenstände hatte der Knecht Johann Ziller bei Xaver Weiß eingesteckt. Weiß, der eine Holzaxt bei sich hatte, erwischte den Knecht auf frischer Tat. Trotzdem gelang Johann Ziller die Flucht.
Er schaffte es allerdings nur bis zum nahen Wald, denn dort überwältigten ihn einige Männer aus Hairenbuch, die ihm gefolgt waren. Sie nahmen dem Knecht die Beute ab, fesselten ihn und brachten ihn zur Polizei nach Krumbach. Dort wurde genau notiert, was Johann Ziller bei sich hatte: Fünf verschiedene Schlüssel und Dietriche sowie ein langes Messer. Wollte er noch weiteres Unheil anrichten?
Einbruchswerkzeuge hatte im Jahr 1899 ein Bursche zwar nicht dabei, als er in Oberwiesenbach bei Krumbach beim „Käser Andreas Nusser“eingestiegen war. Dafür aber trug er dessen Hose und Weste, die er im Anwesen des Handwerkers stibitzt hatte. Der Bursche hieß Schmiedbauer mit Nachnamen und kam aus Dinkelscherben. Er hatte sich in einer Augustnacht zunächst im Heustadl versteckt, um das Haus der Familie Nusser auszukundschaften. So muss es übrigens auch der Unbekannte gemacht haben, der im Einödhof Hinterkaifeck 1922 sechs Bewohner bestialisch ermordete. Der ungeklärte Sechsfachmord gilt als einer der spektakulärsten Kriminalfälle Deutschlands.
In Oberwiesenbach brach der 19-jährige Schmiedbauer morgens unbemerkt in das Anwesen ein und stahl 1100 Mark Bargeld, drei Golduhren samt Ketten, eine silberne Uhr mit Kette und noch andere Schmuckstücke. Danach schlich er sich wieder in sein Versteck und wartete ab. Doch Pech gehabt: Männer griffen ihn auf. Anschließend brachten sie ihn auf einem Wägelchen nach Krumbach. Dort legte er dann ein umfassendes Geständnis ab.
OMordsgeschichten Die Realität ist grausam: Das beweist die Auswahl von über 200 Kriminal-, Unglücks- und Unfällen aus dem Augsburger Land, Mittelschwaben und dem angrenzenden Unterallgäu. Die kleinen und großen Sünden unserer Vorfahren in den letzten Jahren von Kini und Co. hat Redakteur Maximilian Czysz nacherzählt und mit einem Augenzwinkern aufbereitet.