Die heiße Wut im kalten Schnee
Wenn sich Nachbarn mit Schaufeln schlagen, ist Ärger für die Beteiligten programmiert. Was beim winterlichen Räumdienst erlaubt ist und wann die Polizei kommt
Landkreis Augsburg Er ist vergänglich und so kalt, dass er eigentlich die erhitzten Gemüter abkühlen könnte. Trotzdem streiten sich immer wieder Menschen wegen des Schnees. Manchmal sogar bis aufs Blut. In Bonstetten wurde vor einer Woche sogar ein Mann verletzt – ein Nachbar hatte ihn offenbar mit einer Schneeschaufel geschlagen.
Wann die Polizei einschreiten muss und wann gesunder Menschenverstand gefragt ist:
● Das Grundstück Darf der Nachbar auf einem fremden Grundstück Schnee abladen? Die Antwort: Das kommt darauf an. Das Amtsgericht München hat vergangenes Jahr entschieden, dass ein bis zwei Schaufeln Schnee ab und an auf dem Nachbargrundstück noch keine Beeinträchtigung darstellen. Ein Mann hatte geklagt, weil er durch den Schnee das Wachstum seines Rasens verzögert sah. Und: Durch den Schnee sei auch immer wieder Streusplitt in den Garten gelangt, der dann entfernt werden müsse. Laut Gerichtsurteil handele es sich bei der nachgewiesenen Menge Schnee nur um ein paar Liter Wasser. Die hätten keine spürbare Auswirkung. Sie dienten aber sehr wohl dazu, den Nachbarn zu provozieren.
Wie schnell sich daraus ein handfester Streit entzünden kann, zeigt ein Beispiel aus Bonstetten. Zunächst hatte der kommunale Räumdienst einen Haufen aufgetürmt – offenbar auf dem Grundstück eines 34-Jährigen. Der zwei Jahre ältere Nachbar schob daraufhin weiteren Schnee auf den Haufen. Das war zu viel für den 34-Jährigen: Er forderte den Schaufler auf, den Schnee wieder wegzunehmen. Als die gewünschte Reaktion ausblieb, ging ging der 34-Jährige laut Polizei mit einer Schneeschaufel auf seinen Nachbarn los und verletzte ihn an beiden Händen.
Einen zweiten Schlag wehrtee der 36-Jährige mit der eigenen Schneeschaufel ab. Der Kampf mit den Schaufeln ist jetzt ein Fall für die Polizei: Sie ermittelt wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung – denn im Nachbarschaftsstreit sollen auch noch einige Beschimpfungen gefallen sein. Die bösen Worte gab es auch in einem Fall, der sich vor zehn Jahren im Ostallgäu zutrug. Die bittere Folge der despektierlichen Bemerkungen war ein Schaufel-Zweikampf zweier Frauen, der dann vor Gericht ein Nachspiel hatte und in einem Vergleich mit einer Schmerzensgeldzahlung von 2000 Euro endete. Die Polizei befasste sich vor drei Jahren auch mit einem Vorfall, bei dem sich ein Lastwagenfahrer in Zusmarshausen eine blutige Nase zuzog: Er hatte die Arbeit eines Schneepflugfahrers kritisiert und dann laut Polizei Schläge kassiert.
Symbolfoto: Martina Diemand ● über den Zaun Was ist, wenn der Schnee mit der Schaufel über den Zaun auf Nachbars Grund gehoben wird? Und dort auch landet? Fällt er auf Nachbars innig geliebte Schneeglöckchen, dann wird’s problematisch. Werden sie unter der Last erdrückt oder wird beispielsweise das Vogelhäuschen demoliert, dann könnte es sich um eine Sachbeschädigung handeln. „Aber nur, wenn sich auch ein Vorsatz nachweisen lässt“, erklärt Sabine Braunmiller vom Polizeipräsidium Schwaben Nord in Augsburg. Eingreifen muss die Polizei allerdings, wenn es um Hausfriedensbruch geht: Wenn beispielsweise ein Nachbar ein fremdes Grundstück betritt, um dort Schnee abzuladen. Braunmiller: „Ein umzäuntes Grundstück ist ein geschützter Bereich.
● Auf dem Gehweg Schiebt ein Nachbar einem anderen Schnee auf den Gehweg und das auch noch vor dessen Grundstück, dann sind wieder die Juristen gefragt. Die Folge könnte eine Unterlassungserklärung sein. Oder ein Zivilrechtsstreit. Polizeisprecherin Sabine Braunmiller meint: „Man muss sich nicht wegen allem streiten. Ein gesunder Menschenverstand ist gefragt und ebenso ein nachbarschaftliches Miteinander.“Deshalb: Der Schnee sollte am Gehwegrand angehäuft werden. Das halten Kommunen in aller Regel so auch fest, etwa in der „Verordnung über die Reinhaltung und Reinigung der öffentlichen Straßen und die Sicherung der Gehbahnen im Winter“. Doch selbst am Straßenrand droht Ärger: Dann nämlich, wenn der Schnee den Straßenverkehr behindert und zu einem Hindernis wird.
„Man muss sich nicht wegen allem streiten. Ein gesunder Menschenverstand ist gefragt und ebenso ein nachbarschaftliches Miteinander.“
Polizeisprecherin Sabine Braunmiller